Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Italiens Banken halten Finanzmärkte in Atem
Monte dei Paschi und Unicredit brauchen dringend Kapital – Angst vor neuer Bankenkrise
ROM/RAVENSBURG - Die Sorge um Italiens Banken steigt. Nachdem in der vergangenen Woche eine Bitte der Krisenbank Monte dei Paschi di Siena (MPS) um eine Fristverlängerung von der Europäischen Zentralbank (EZB) abgelehnt wurde, sind die Ängste vor einer Implosion des italienischen Finanzsektors und dem Aufflammen einer neuen Bankenkrise wieder allgegenwärtig.
Monte dei Paschi, die älteste Bank der Welt, muss bis zum 31. Dezember rund fünf Milliarden Euro an zusätzlichem Kapital auftreiben. Vor Tagen hatten die Bankmanager bei der EZB um eine Verlängerung der Frist bis zum 20. Januar 2017 gebeten. Sie verwiesen auf die Unsicherheit nach dem vom ehemaligen Ministerpräsidenten Matteo Renzi verlorenen Referendum zur Verfassungsreform. Doch die Bitte wurde abgelehnt. Die Kurse des im Jahr 1472 gegründeten Instituts und die anderer italienischer Geldhäuser brachen daraufhin ein.
Massenhaft faule Kredite Die meisten italienischen Banken stehen unter enormem Druck. Das liegt vor allem an den vielen ausfallgefährdeten Krediten in ihren Büchern. Den Daten der Europäischen Zentralbank zufolge schlagen diese faulen Kredite mit knapp 300 Milliarden Euro zu Buche. Das ist zirka ein Drittel aller Risikodarlehen der 124 wichtigsten Banken innerhalb der EU. Neben Monte dei Paschi, die beim Stresstest der Europäischen Bankenaufsicht Ende Juli mit Abstand am schlechtesten abgeschnitten hatte, hat auch Italiens größte Bank, die Unicredit, ein massives Problem mit faulen Krediten.
Nun wird aus Siena versichert, dass man das zusätzliche Kapital rechtzeitig beschaffen werde. MPSChef Marco Morelli erklärte in italienischen Medien, dass man auch ohne die Fristverlängerung „guter Hoffnung“sei. Immerhin habe man schon eine Milliarde Euro durch die freiwillige Umwandlung von Anleihen in Aktien zusammenbekommen.
Morelli hofft vor allem auf Investoren aus Frankreich, Großbritannien und den USA. Doch nicht ausgeschlossen ist, dass die Investoren, auf die er seine Hoffnung setzt, ebenso kalte Füße bekommen könnten, wie der Investmentfond QIA aus Kuwait. QIA hatte zunächst zugesagt, eine Milliarde Euro zu investieren, sich dann aber zurückgezogen. Das Versprechen seitens der Bank, rund 2600 Mitarbeiter freizusetzen und ein Viertel der gut 2000 Bankfilialen zu schließen, soll Investoren überzeugen.
Auch Unicredit versucht die Quadratur des Kreises. Mit dem Verkauf von Beteilungen will das Institut, zu dem auch die deutsche Hypo Vereinsbank gehört, dringend benötigtes Kapital einwerben. Dem Vernehmen nach benötigt Unicredit 13 Milliarden Euro, um ihre Kapitalpuffer wieder aufzufüllen. Am Montag gab die Großbank den Verkauf ihrer Fondstochter Pioneer an den französischen Vermögensverwalter Amundi bekannt. Amundi zahlt 3,5 Milliarden Euro in bar für Pioneer und legt noch eine ExtraDividende von 315 Millionen Euro obenauf. Zuvor hatte der seit Juli amtierende Vorstandschef JeanPierre Mustier bereits Anteile an der Online-Bank Fineco und dem polnischen Kreditinstitut Pekao verkauft. Bundesbankpräsident Jens Weidmann
Abwicklungsregeln in Gefahr Bei der Rettung der angeschlagenen italienischen Institute stehen auch die in Europa im Zuge der Finanzkrise aufgestellten Regeln zur Bankenrettung auf dem Prüfstand. Demnach sollen in erster Linie Eigentümer und Gläubiger für Verluste haften. Doch die Regierung in Rom arbeitet angeblich bereits seit Tagen an einem Plan B zur Rettung von Monte dei Paschi, der auf eine Teilverstaatlichung hinauslaufen könnte. Zwar lassen die EU-Haftungsregeln prinzipiell eine „vorsorgliche Rekapitalisierung“einer Bank durch den Staat zu, wenn sich dadurch Gefahren für das gesamte Finanzsystem abwehren lassen. Bundesbankpräsident Jens Weidmann warnte am Wochenende jedoch davor, die EU-Regeln aufzuweichen. Weidmann zufolge könnte die Akzeptanz des marktwirtschaftlichen Systems weiter untergraben werden, „wenn der Eindruck entsteht, dass bei Verlusten stets der Staat oder die Notenbank für private Entscheidungen von Anlegern und Investoren in die Bresche springt“. Deshalb sei es wichtig, dass sich die Lösung für italienische Banken innerhalb der Regeln bewegen werde.
Staatshilfen hält er unter Umständen für Privatanleger für zulässig. „Im Falle Italiens wurden offenbar sehr riskante Finanzprodukte an Menschen verkauft, die eigentlich eher konservative Produkte wollten“, sagte Weidmann. „Möchte man als besonders schutzwürdig empfundene Anleger aus politischen Gründen schützen, könnte dies beispielsweise im Rahmen gezielter staatlicher Transfers erfolgen.“
Nach der offiziellen Vereidigung im Präsidialpalast in Rom wird sich die neue italienische Regierung unter Regierungschef Paolo Gentiloni mit Hochdruck dem Bankenproblem Italiens annehmen müssen.
„Die Lösung für die italienischen Banken muss sich innerhalb der EU-Regeln bewegen.“