Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Die Müllrebellion geht weiter
Fünf Landkreise verweigern weiter die Einführung der Biotonne
STUTTGART - Die braune Tonne bleibt umstritten: Das Umweltministerium und mehrere Landkreise werden auch im kommenden Jahr darum ringen, ob die Biomüllbehälter eingeführt werden müssen. Waren es zu Jahresbeginn noch sechs Müllrebellen, hat mittlerweile der Kreis Waldshut eingelenkt. Sigmaringen, Biberach und andere der 44 Kreise im Land lehnen die braune Tonne weiter ab. Dagegen zeigen sich einstige Gegner wie die Verantwortlichen im Landkreis Ravensburg überrascht, wie gut das neue System funktioniert.
Der Konflikt zwischen Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) und den mittlerweile nur noch fünf Landkreisen entzündet sich an einem Bundesgesetz und dessen Auslegung. Seit 2015 gilt das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG). Es schreibt vor, dass Bioabfälle gesondert gesammelt und verwertet werden. Der Hintergrund: Alle Müllarten sollen möglichst sinnvoll genutzt werden, soweit dies möglich ist. Getrennt gesammelte Grünabfälle, Essensreste und Ähnliches können kompostiert oder vergärt werden – und sollten deshalb nicht mit dem sonstigen Restmüll verbrannt werden. Wie die Abfälle von den anderen getrennt werden, bleibt den Landkreisen überlassen. Sie sind zuständig für die Müllentsorgung.
Allerdings sieht das Gesetz Ausnahmen vor: Wenn eine getrennte Sammlung der Bioabfälle wirtschaftlich nicht sinnvoll, sprich zu teuer ist, entfällt die Verpflichtung. Aus Sicht der Landkreise Sigmaringen, Biberach, Alb-Donau, Karlsruhe-Land und Neckar-Odenwald trifft das auf ihre Gebiete zu.
Lange Wege, hohe Kosten Im Herbst hatte Untersteller noch einmal mit den Landräten Gespräche geführt. Zwischenzeitlich ließ er durchblicken, er könne Dauerverweigerer auch per Anordnung zwingen, die Tonnen einzuführen.
Mittlerweile ist der Ton zwischen Stuttgart und Kreisen wieder konzilianter. Dennoch bleibt der grüne Minister bei seiner Haltung: Die Biotonne sei ökologisch ebenso sinnvoll wie ökonomisch. Die Müllrebellen halten dagegen. Gerade im ländlichen Raum hätten viele Bürger einen eigenen Kompost, es gebe lange Wege für Müllabfuhren und somit hohe Kosten für wenig Ertrag. Untersteller hält das für nicht zutreffend und nennt Beispiele aus anderen Kreisen, die das Modell eingeführt haben. Die meisten der 44 Kreise betrieben die Bioabfallsammlung schon lange und dies zu tragbaren, bei einigen Kreisen sogar zu sehr günstigen Abfallgebühren. So seien die Müllgebühren in den ländlichen Kreisen Freudenstadt und Schwäbisch Hall gesunken, seit es dort Biotonnen gebe.
Überraschende Erkenntnis Der Landkreis Ravensburg hat nach einigem Widerstand zu Jahresbeginn ebenfalls die braunen Tonnen aufgestellt. Werner Nitz, Leiter des Abfallwirtschaftsamtes: „Diejenigen Bürger, die eine Biotonne haben, sind beglückt.“Selbst für den erfahrenen Experten in Sachen Müllverwertung viel überraschender aber war folgende Tatsache: „Wir sammeln auch bei uns im ländlichen Raum gute Mengen Biomüll und der hat eine hervorragende Qualität, lässt sich also gut verwerten.“
Knapp 9000 Tonnen Bioabfälle werden im laufenden Jahr im Kreis Ravensburg gesammelt. Davon profitiert auch die Kasse des Landkreises: Die Verbrennung einer Tonne Restmüll kostet 100 Euro, die Verwertung des Biomülls nur 50 bis 55 Euro.
Doch in Biberach und Sigmaringen lässt man sich davon nicht von seiner Linie abbringen. „Wir sind fest davon überzeugt, dass die Entscheidung gegen die Einführung einer Biotonne verantwortungsvoll und im Einklang mit den Regelungen des KrWG getroffen wurde“, sagt Bernhard Obert, Dezernent für Umwelt und Bauen im Sigmaringer Landratsamt. „Unsere Sortieranalysen des Müll haben gezeigt, dass eine getrennte Sammlung und Verwertung des Biomülls nicht sinnvoll wäre“, sagt auch Bernd Schwarzendorfer, Sprecher des Landkreises Biberach. Beide betonen, man sei an einer einvernehmlichen Lösung interessiert. Sigmaringen hat dem Stuttgarter Ministerium ein neues Gutachten vorgelegt, um seine Position zu untermauern. Im Umweltministerium gibt man sich zurückhaltend. „Wir prüfen das Papier noch. Sollten sich daraus neue, überzeugende Argumente ergeben, verschließen wir uns diesen nicht“, erklärt Pressesprecher Frank Lorho. Aus Sigmaringen heißt es dazu, der Ball liege beim Land – man warte nun, was das Ministerium als Lösung anbiete.