Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Träumen mit Eisenbichler
Beim Sieg von Daniel-André Tande wird der neue deutsche Vorzeigespringer Vierter
GARMISCH-PARTENKIRCHEN - Der geteilte 21. Platz beim Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen – auch der hinlänglich bekannten Verletzungsvorgeschichte samt Zwangspause geschuldet – mag nicht Severin Freunds größter Coup als Skispringer gewesen sein. Kaum bekannte Qualität bewies er dafür als sensibler Kollegenkenner. Wie Markus Eisenbichler drauf sei, fragten sie an Silvester den Niederbayer. Da hatte der Oberbayer gerade die Qualifikation von der Großen Olympiaschanze gewonnen. Und Severin Freund tat kund: „Er ist wie immer – und das ist a sehr, sehr gutes Zeichen.“Wie immer, das sei „entspannt, nicht gekünstelt, geraderaus: Das passt einfach.“Tat es: Am Sonntag wurde Markus Eisenbichler nach Sprüngen auf 136,5 und 139,5 Meter (278,9 Punkte) Vierter.
Den Tagessieg holte sich der Norweger Daniel-André Tande (138 und 142 Meter/289,2 Punkte) vor Kamil Stoch aus Polen (135,5 und 143/286,0) und Oberstdorf-Sieger Stefan Kraft (Österreich; 137 und 140/282,4). 20 000 Zuschauer hatten ihre Freude an einer Weitenjagd auf höchstem Niveau. Fortsetzung: diesen Dienstag (14 Uhr; ARD, Eurosport) mit der Qualifikation in Innsbruck.
Dass Markus Eisenbichler die Große Olympiaschanze mag, wusste man: Fliegertyp auf Fliegerbakken! Wie er dieses Mögen aber in zwei blitzsaubere Luftfahrten ummünzte, ließ staunen. Blitzsauber? „Ich hab’ zwei ordentliche Sprünge gezeigt; sie waren leider nicht ganz so gut wie gestern der Quali-Sprung. Der war scho’ a bissl feiner von der Klinge her.“Oha. Noch ein Staunen. Bis Markus Eisenbichler beschloss, den gewohnt (selbst-)kritischen Blick auf die Videoanalyse im Seefelder Mannschaftsquartier zu verschieben. Und, ja doch: „Ich kann zufrieden sein. Hätt’ mir irgendwer gesagt, ich werd’ Vierter beim Neujahrsspringen – ich hätt’ gesagt: Träum’ weiter!“
Gefährden können hätte ein derartiges Resultat nämlich bereits Durchgang eins. Der Vierschanzentournee-spezifische K.o.-Modus hatte Markus Eisenbichler DoppelOlympiasieger Kamil Stoch als Gegner beschert. Der hatte die Qualifikation ausgelassen. „Ich traue Markus jederzeit zu, dass er ihn schlägt“, hatte Severin Freund aus besagtem Wieimmer-Sein mutmachend geschlossen. Er sollte recht behalten: Bei schlechteren Verhältnissen landete Markus Eisenbichler später. Kamil Stoch gratulierte, kam als bester der fünf Lucky Loser ins 30er-Finale, katapultierte sich noch auf Rang zwei, führt die Tourneewertung jetzt an. Markus Eisenbichler sollte irgendwann verraten, dass er doch „extrem nervös“gewesen sei, „als Letzter da oben zu sitzen. Es ist schon nicht ganz einfach.“Andererseits: „Ich hab's eigentlich ganz gut gelöst.“
Werner Schuster wollte da nicht widersprechen. Vielmehr stellte der Bundestrainer mit Nachdruck klar: „Wenn man olympische Maßstäbe ansetzt, dann ist das ein undankbarer Platz. Aber ich glaube, beim Markus sollte man keine olympischen Maßstäbe ansetzen. Seine Entwicklung ist atemberaubend, die er heuer gemacht hat.“Weltcup-39. war der 25-Jährige nach dem Winter 2015/16. Jetzt ist er Fünfter in der aktuellen Skisprung-Hierarchie, Vierter der Tourneewertung, war bei neun Saisonspringen achtmal in den Top Ten. Noch mal der Bundestrainer: „Er kann sich nicht viel vorwerfen.“Seit dem ersten Wettbewerb Ende November in Kuusamo nicht, an diesem 1. Januar 2017 erst recht nicht. „Die drei vor ihm sind schwer zu schlagen“, so Schuster.
Riesengaudi für Stephan Leyhe Ein Extralob vom Bundestrainer gab es auch für Stephan Leyhe. Der Willinger, der in Hinterzarten trainiert, sei „das ganze Wochenende anders aufgetreten“als etwa noch in Oberstdorf. „Er hat keinen einzigen schlechten Sprung gemacht.“Die beiden Wettkampf-Versuche (auf 135,5 und 134 Meter/268,8 Punkte) brachten dem 24-Jährigen Position acht – sein stärkstes Weltcup-Ergebnis beim 56. Start. „Eine Riesengaudi“sei's gewesen, berichtete Stephan Leyhe selbst. „Der Tag war heute genial für mich.“Konkreter: „Ich hab’ zwei gute Sprünge runtergebracht, was mir in der Zeit davor noch ein bisschen gefehlt hat“, zweimal zudem genau „das Niveau erreicht, das ich momentan springen kann“. Das hatte Stephan Leyhe am Sonntag Andreas Wellinger als 13. und Richard Freitag als 15. voraus, Severin Freund auch und Karl Geiger (28.). Sie alle werden in Innsbruck dabei sein, am Bergisel. Dort, Werner Schuster erinnerte gerne daran, „sind wir die letzten Jahre nicht so schlecht zurechtgekommen“.
Wenn das nicht, mit Severin Freund gesprochen, „a sehr, sehr gutes Zeichen“ist!
SZ-Sportredakteur Joachim Lindinger begleitet seit Jahren die Vierschanzentournee. Über seine Erlebnisse berichtet er auch auf: www.schwaebische.de/seitenspruenge