Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Das Kreuz mit den Champignons im Kreuz
Was den Erfolg des Restaurants im Hotel Kreuz in Gammertingen ausmacht, das an einem Sonntagmittag bemerkenswert zünftig gefüllt ist, offenbart sich nicht auf Anhieb – ja, es bleibt an mancher Stelle gänzlich im Verborgenen. Denn lustigerweise hat fast jedes Gericht des folgenden Menüs ein Element, das überaus gelungen Geschmack verbreitet, aber auch mindestens eine Komponente, die selbst dem toleranten Gast die Haare zu Berge stehen lässt.
Die Karte schwäbelt sich so durch die Klassiker der Gutbürgerlichkeit. Fangen wir mit der Maultaschensuppe an. Darin schwimmt – wie der Name schon sagt – eine Maultasche, beziehungsweise ein abgeschnittenes Rädle von einer gerollten Maultasche. Eine ideale Vorspeise für den außerordentlich kleinen Hunger. Und die ist gar nicht mal schlecht, nur eben so winzig bemessen, dass der Geschmackssinn schon genau hinhören muss, will er die Vorzüge der gefüllten Teigware überhaupt erspüren. Was indes im Übermaß vorhanden ist, ist die Brühe. Diese hat nicht nur Fettaugen, sondern es schwimmt eine ganze Schicht über der Suppe. Das ist eindeutig zu viel, denn der Fettfilm legt sich über jeden Löffel – optimal bei spröden Lippen, nicht so toll beim Essen. Immerhin: Das Fett ist ein Indiz dafür, dass die Brühe grundsätzlich hausgemacht ist. Der gemischte Salat zeigt sich dafür in allerbester Form – besonders der schön schlotzige Kartoffelsalat ist sehr ausgewogen im Geschmack, der auf einer guten Kartoffel beruht. Das frische Blattwerk entfaltet knackigen Biss unter einer angenehm süß-säuerlichen Vinaigrette. Und dann kommt das Hauptgericht mit dem schönen Namen „Gammertinger Teller“. Warum der so heißt? Eine Erklärung liefert die zügig und korrekt arbeitende Dame im Service nicht. Fest steht aber, dass den Teller zwei kulinarische Totalausfälle verunzieren. Der Brokkoli ist zum Beispiel derart lange gegart, dass er die Farbe von ausgewaschenen Bundeswehrhosen angenommen hat. Über die Champignons aus der Dose ist jedes verlorene Wort zu viel – gerade vor dem Hintergrund, dass auf der Internetseite geschrieben steht: „echt – schwäbisch – trendig“. Darum an dieser Stelle der lieb gemeinte Hinweis: Büchsen-Champignons kommen nie mehr in Mode und haben also mit Trend nicht das Geringste zu tun!
Und trotzdem: Das Schweinemedaillon ist dermaßen zart und saftig, dass es die matschigen Pilze fast vergessen macht. Auch die panierten Kartoffelbällchen, lackiert mit einer ordentlichen Rahmsoße, zeigen, dass die Küche durchaus auch gut sein kann, wenn sie nur will.
Die Eingangsfrage, warum so viele Menschen das Essen im Kreuz zu mögen scheinen, lässt sich nach diesem Menü nicht präzise beantworten. Die Servierdame hat den Gammertinger Teller als Spezialität des Hauses angeboten. Das Falsche bestellt zu haben, daran kann es also nicht liegen. Die Erklärung kann nur sein: Es gibt eine Menge Menschen, die aus nostalgischen Gründen den Stil der 1980er-Jahre im Kreuz zu schätzen wissen. Aber selbst positive Ansätze, wie ein ausgesprochen gutes Fleisch, können den Einsatz von Dosen-Champignons letztendlich nicht entschuldigen.
Hotel Restaurant Kreuz Marktstraße 6 72501 Gammertingen Telefon 07474-93290 www.hotel-kreuz-gammertingen.de Geöffnet Montag bis Samstag ab 16 Uhr, sonn- und feiertags ab 11.30 Uhr, Hauptgerichte 8,70 bis 15,80 Euro.
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