Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Weltberühmter Zeitzeuge, Bisonjäger, Entertainer
Vor 100 Jahren starb Buffalo Bill, eine der mythischen Figuren des Wilden Westens
WASHINGTON (KNA) - Father Christopher Walsh von der MariäEmpfängnis-Kathedrale in Denver hatte in seinem Leben als Priester schon die eine oder andere Taufe auf dem Totenbett vorgenommen. Doch noch nie hatte er einen so prominenten Sünder in die Gemeinschaft der katholischen Kirche aufgenommen wie an jenem 9. Januar vor 100 Jahren. Denn Pater Walsh wurde zu dem mit Nierenversagen im Sterben liegenden William Frederick Cody gerufen. Sein Künstlername war auf der ganzen Welt bekannt: Buffalo Bill.
Der 70-Jährige war für viele Zeitgenossen die Verkörperung des „Wilden Westens“, jener sich dem Ende zuneigenden Zeit der amerikanischen Pioniere. Cody war Handelnder und Zeitzeuge, später als Showman und Entertainer Verkünder dieser Zeit.
Cody wurde 1846 in Iowa in eine Quäkerfamilie geboren. Als 14-Jähriger zog es ihn in den Westen, wo gerade wieder mal das Goldfieber ausgebrochen war. Auf dem Weg nach Kalifornien soll er sich als Reiter für den Pony Express, die erste transkontinentale und für die Reiter aufgrund von Indianerangriffen oft lebensgefährliche Postverbindung verdingt haben. Zweifellos prägten ihn die Auseinandersetzungen mit den immer weiter von den Weißen zurückgedrängten Ureinwohnern.
Cody war als Scout für die 3. USKavallerie in deren Indianer-Feldzügen auf der westlichen Prärie tätig. Er nahm an diversen Gefechten mit Indianern teil, soll mindestens einmal einen toten Gegner skalpiert haben. Doch die Indianer nötigten ihm auch Respekt ab, ihm war bewusst, wer die Schuld an den immer wieder aufflammenden kriegerischen Auseinandersetzungen trug: „Jeder Indianeraufstand, den ich erlebt habe, beruhte auf den von der US-Regierung gebrochenen Versprechen und missachteten Abkommen.“
Für die Eisenbahnen, die sich unaufhaltsam ihren Weg gen Westen bahnten, agierte Cody als Nahrungsbeschaffer. Seine „Erfolge“als Büffeljäger waren legendär und verschafften ihm seinen Beinamen. Allein 1867/68 soll er mehr als 4000 der ma- jestätischen Tiere erlegt haben, um die Bahnarbeiter mit Frischfleisch zu versorgen. Wie andere weiße Jäger trug er zur fast vollständigen Ausrottung des Amerikanischen Bisons bei und beraubte die Indianer einer ihrer wichtigsten Lebensgrundlagen.
Echten Weltruhm erlangte Cody mit der theatralischen Vermarktung seiner Biografie und der anderer Veteranen des alten Westens. Mit einer zirkusähnlichen Show unter dem Titel „Buffalo Bill’s Wild West“zog er zunächst jährlich durch die USA und unternahm später acht Europa-Tourneen. Queen Victoria – sonst nur schwer zu erheitern – war von den Aufführungen wilder Reiter und exo- tischer Menschen „amused“, auch der spätere deutsche Kaiser Wilhelm II. soll von Bill und vor allem von der Scharfschützin Annie Oakley angetan gewesen sein.
Besonderen Respekt rang Cody ein ehemaliger Feind ab: Sitting Bull (1831-1890), der berühmte spirituelle Führer der Lakota (Sioux). Sitting Bull soll Cody mit seinem angeblichen Übertritt zum Katholizismus 1883 inspiriert haben, auf dem Sterbebett ebenfalls zu konvertieren. Buffalo Bill, der die seinen Namen tragende Stadt Cody im Bundesstaat Wyoming gründete, starb einen Tag nach der Taufe durch Father Walsh, am 10. Januar 1917.