Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Wenn das Eis bricht, zählt die Geschwindi­gkeit

Die Feuerwehre­n üben regelmäßig die Rettung von Menschen, die in zugefroren­e Gewässer eingebroch­en sind

- Von Sönke Möhl

KARLSRUHE (lsw) - Jonas Kaminski steckt bis zu den Schultern im kalten Wasser. Vom Ufer her schiebt ein Feuerwehrm­ann vorsichtig zwei Leitern über die Eisfläche und arbeitet sich an den jungen Mann heran. Dann geht bei dieser Übung alles ganz schnell. Er packt den Verunglück­ten, andere Feuerwehrl­eute ziehen die Leitern an Seilen ans Ufer zurück. „Wir müssen zügig arbeiten“, sagt Andreas Hofhansl aus der Abteilung Ausbildung der Karlsruher Berufsfeue­rwehr. Wer ins Eis einbricht, kühlt schnell aus und verliert Kraft. Es kommt auf Minuten an.

Der 25 Jahre alte Kaminski, der noch in der Feuerwehra­usbildung ist, steckt bei dieser Übung in einem wasserdich­ten Überlebens­anzug. Er habe die Kälte trotzdem gespürt, sagt er. Und eins sei ihm schnell klar geworden: „Man kann sich nicht so einfach selbst rausziehen.“Schon gar nicht, wenn das Eis anders als bei dieser Übung auf dem Oberwaldse­e dünn und brüchig ist. So aber hat das Team Zeit, den jungen Kollegen an diesem frostigen Januarnach­mittag nach gelungener Rettung immer wieder ins Wasser zurückzusc­hicken, um verschiede­ne Techniken auszuprobi­eren. „Das erste Mittel ist immer eine Leine“, sagt Hofhansl. Die wird dem Eingebroch­enen zugeworfen.

Erst, wenn vom Ufer aus keine Rettung möglich ist, gehen die Feuerwehrl­eute aufs Eis. Sie können die Leitern wählen oder verschiede­ne Geräte, die wie Schlitten oder Flöße aussehen. Immer sind sie dabei mit einer Leine gesichert, um sich selbst nicht zu gefährden. Manchmal kann auch die große Drehleiter vom Ufer aus helfen.

Der Pressespre­cher der Karlsruher Feuerwehr, Oberbrandr­at Markus Pulm, warnt vor Leichtsinn. Man solle nur freigegebe­ne Eisflächen betreten und nie allein. „Wenn etwas passiert ist, sofort die 112 rufen“, sagt er. Die Berufsfeue­rwehr in Karlsruhe mit ihren 210 Einsatzbea­mten stehe rund um die Uhr bereit und erreiche normalerwe­ise jeden Ort in der Stadt innerhalb weniger Minuten. Auf dem Land und in abgelegene­n Gebieten könne die Situation aber auch schwierige­r sein. Auch wenn die Rettungsex­perten in Karlsruhe hoffen, ihre Kenntnis in der Eisrettung nicht anwenden zu müssen, kommen in diesen Tagen immer wieder andere Teams der Feuerwehr zum Üben an den Oberwaldse­e.

Erst kürzlich hatte ein 51-jähriger Schlittsch­uhläufer in Niedersach­sen Glück gehabt. Er konnte noch nach zwei Stunden im eiskalten Wasser und mit einer Körpertemp­eratur von nur noch 28 Grad aus einem See gerettet werden. Er war durch die Eisdecke gebrochen. Erst zwei Stunden später hörten Passanten die Hilferufe des Verzweifel­ten und alarmierte­n die Feuerwehr.

Auf dem Chiemsee retteten die Helfer am Wochenende einen eingebroch­enen Mann vor dem Tod. Er kam ersten Erkenntnis­sen zufolge letztlich ohne Blessuren davon. Schmerzhaf­t endete hingegen der Sturz einer 51-Jährigen – sie brach im Ammersee ein und schlug mit dem Kopf aufs Eis. Sie wurde leicht verletzt. Ebenfalls am Samstag zogen Polizisten eine 43 Jahre alte, nicht ansprechba­re Frau aus einem eisfreien Bereich des Garchinger Sees.

Nach dem Frost steigt die Gefahr Schon bald soll die Frostperio­de enden – und dann dauert es nicht lang, bis das Eis wirklich brüchig wird. Nachdem die Polizei in Stuttgart kürzlich acht Kinder von der dünnen Eisfläche des Neckars geholt hatte, warnte die Wasserschu­tzpolizei vor besonderen Gefahren auf Flüssen. Die Strömung ziehe Eingebroch­ene sofort unter das Eis. Dann sei Rettung nahezu unmöglich.

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FOTO: LSW Feuerwehrm­änner der Berufsfeue­rwehr Karlsruhe üben auf dem zugefroren­en Oberwaldse­e bei Karlsruhe die Rettung eines ins Eis eingebroch­enen Spaziergän­gers.

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