Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Inhalt lustig, Vortrag lässig
Schweizer Poetry Slammer nehmen sich in der Linse die Eidgenossen vor
WEINGARTEN - „Schweiz ist geil“heißt das Programm, mit dem „Interrobang“am Samstagabend im kleinen Saal der Linse die Schweizer Volksseele bis auf den Grund ausgeleuchtet hat. Etwa 70 Zuschauer verfolgten, wie die Schweizer Valerio Moser und Manuel Diener zwischen Poetry Slam und Kabarett mäanderten.
Lässt sich Integration mit einem Plätteli-Boden (also einem Fliesenbelag) vergleichen? Was denkt der gemeine Schweizer, wenn er im Zugabteil gefragt wird „Ischdonufrü“? Sind es tatsächlich die einmaligen Fonduekäse-Fäden, die die Schweiz im Innersten zusammenhalten? Mit solch hinterlistigen Fragen und den durchaus lustigen Antworten darauf stürzen die beiden Eidgenossen sich und ihre Landsleute erst vom Podest, um sie dann an den Pranger zu stellen.
Selbstverständlich nicht ohne sich selbst neue Identitäten zu geben: So hat es das Publikum während der Integrationsveranstaltung – dem Rahmen des Abends – mit dem pfiffigen Roland Fritschi, dem Unternehmer in Plätteli-Böden zu tun und mit seinem Vortragspartner, dem straubtrockenen Beamten von der kantonalen Fachstelle für Integration: Peter Kunz.
Allein, diese Namen sind Schall und Rauch und auch sofort wieder vergessen angesichts des pausenlosen Switchens zwischen den Genres und den Szenen. Auf den ersten Blick widerfährt dem Publikum ein Chrüssimüssi, (das schwyzer Idiom für das deutsche „Durcheinander“) als wilde Fahrt durch Tradition und Folklore, durch Geschichte und Gegenwart der Schweiz. Aber im Grund genommen sind Themen wie „Frauenstress versus Lonelyness“, Hotline-Horror oder „Die Leiden des jungen Lehrers“wohl ziemlich ähnlich, egal ob im Land der Banken und Berge oder hierzulande.
Dass der Schweizer landläufig als eher langsam und bedächtig gilt, das können die zweifachen Schweizer Meister im Poetry-Slammen natürlich locker widerlegen. So werden die beiden durch das bloße Aufsetzen ihrer Basecaps zu lässigen Beat-Boxern, die mit dem Mund das Schlagzeug imitieren, zu rauen Rappern oder zu Manuel, der Menschmaschine.
Mit einem Redeschwall nach dem anderen: Für Reinhard Mey in der Cloud. Gegen die Entdummung. Und für eine neue, tolle Gesprächskultur. Die Gesprächskultur der Weingartner, die nämlich loben Interrobang ausdrücklich, am Ende ihrer gescheiten Show. Und nehmen mit ins heimelige Heidiland, dass der Schweizer Schocki, die Goldfreneli und selbst der Gotthard-Tunnel durchaus auch noch Erwähnung finden dürften, wenn es darum geht, die Deutschen von „Schweiz ist geil“zu überzeugen.