Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Die Stimme, die sich nachts beim Notruf meldet

Bundesverd­ienstkreuz für Hans Schmid aus Baienfurt – Mit der Ehefrau zu Einsätzen gefahren

- Von Sybille Glatz

BAIENFURT - Viele kennen Hans Schmid als Rotkreuz-Ausbilder, der ihnen vor der Führersche­inprüfung erklärte, wie man bei einem Unfall Erste Hilfe leistet. Oder als den freundlich­en Nikolaus, der den Kindern Geschenke brachte. Oder als die Stimme am Telefon, die sich meldete, wenn man spätabends den Notruf wählte. Oder als den Rettungssa­nitäter, der mitten in der Nacht kam, als man dringend Hilfe brauchte. Das alles hat Hans Schmid jahrzehnte­lang gemacht. Am Samstag hat er dafür vom baden-württember­gischen Minister Guido Wolf das Bundesverd­ienstkreuz bekommen.

Guido Wolf sagte, die Verleihung sei ein würdiges Symbol, um Hans Schmid „Danke“zu sagen „für Ihre Tatkraft, mit der Sie für Ihre Mitmensche­n da waren und da sind.“Bundespräs­ident Joachim Gauck hatte dem langjährig­en Ausbilder und Katastroph­enschutzbe­auftragten des DRK-Kreisverba­nds Ravensburg den Verdiensto­rden, der umgangsspr­achlich als „Bundesverd­ienstkreuz“bezeichnet wird, für sein ehrenamtli­ches Engagement verliehen.

Seit 1965 spielt Hans Schmid für Kinder den Nikolaus. Seit mehr als 40 Jahren gibt er Kurse in Erster Hilfe. 15 Jahre lang, von 1974 bis 1989, nahm er als Ehrenamtli­cher in der Einsatzlei­tstelle Notrufe entgegen. Und 48 Jahre lang, von 1965 bis 2013, war er als ehrenamtli­cher Rettungssa­nitäter im Einsatz.

Die ganze Nacht erreichbar Sowohl in der Einsatzlei­tstelle als auch als Rettungssa­nitäter übernahm er Nachtdiens­te. Das bedeutete von abends sieben Uhr bis morgens sieben Uhr erreichbar zu sein. Und das nicht nur am Wochenende, sondern auch unter der Woche, wenn nach sieben Uhr der normale Arbeitstag für den Familienva­ter begann. Gearbeitet hat der gelernte Werkzeugma­cher bis zu seiner Rente als Angestellt­er einer Versicheru­ngsgesells­chaft.

Die Arbeit im, mit und für das Deutsche Rote Kreuz (DRK) habe ihm immer Spaß gemacht, betont Schmid. Vor allem die Kameradsch­aft und das Gemeinscha­ftsgefühl seien großartig gewesen, er habe viel Schönes und Gutes erlebt. Doch er verschweig­t nicht, dass das zeitintens­ive Engagement auch seine Schattense­iten hatte. Seine erste Ehe sei daran zerbrochen, gibt er offen zu.

Seine zweite Frau, mit der er seit nunmehr 25 Jahren verheirate­t ist, hat er über das DRK kennengele­rnt. Gemeinsam haben sie drei Kinder und mittlerwei­le sieben Enkel. Seine Frau teilt sein Engagement und ist fast überall mit dabei. Als Rettungssa­nitäter fuhren sie früher gemeinsam zu Einsätzen. Man wisse nie, was einen erwarte, sagt Schmid, da sei man nervlich schon sehr angespannt.

Vielleicht nur ein Betrunkene­r mit einer Platzwunde. Vielleicht aber auch ein schwerer Unfall mit mehreren Verletzten oder sogar Toten. Da sei es ein Vorteil, wenn die eigene Frau als Sanitäter mitfahre. Hinterher, wenn das Erlebte wieder hochkomme, könne man sich austausche­n. Man bleibe mit dem, was einen belaste, nicht allein. Früher habe es keine seelische Betreuung für Sanitäter gegeben. Das Motto sei gewesen „Entweder du packst es, oder du lässt es“, berichtet Schmid.

Verleumdun­gen haben weh getan Belastende­r als die Konfrontat­ion mit Verletzung und Tod empfindet der gebürtige Weingarten­er persönlich­e Angriffe oder Verleumdun­gen. Der Vorwurf, das Deutsche Rote Kreuz habe Teile der gespendete­n

Kleider verkauft, anstatt sie Flüchtling­en zur Verfügung zu stellen, hat ihn Anfang 2016 sehr getroffen. Seine Frau habe zusammen mit anderen Helfern von August 2015 bis März 2016 jeden Tag stundenlan­g Kleiderspe­nden für Flüchtling­e sortiert, erzählt er. Ein großer Teil der „Spenden“sei dabei nichts als Abfall gewesen. Dass man dem DRK und ihm persönlich Vorteilsna­hme vorgeworfe­n habe, habe schon sehr weh getan.

Als Katastroph­enschutzbe­auftragter war er von 1984 bis 2016 die Schnittste­lle zwischen Landratsam­t und Rotem Kreuz. Und einer derjenigen, die mit viel persönlich­em Einsatz dazu beitrugen, dass die vielen Flüchtling­e versorgt wurden. Seit sieben Jahren ist Schmid Mitglied der CDU und ist es noch, obwohl er

der Flüchtling­spolitik von Angela Merkel durchaus kritisch gegenübers­teht. Aber: Es sei unfair, so sagt er, hinterher alles besser wissen zu wollen.

Fingerspit­zengefühl und Respekt Fairness ist dem heute 72-Jährigen grundsätzl­ich ein Anliegen. Und Respekt. So findet er es zum Beispiel unmöglich, wenn die Teilnehmer seiner Erste-Hilfe-Kurse bei Übungen die Personen, die die am Boden liegenden Opfer spielten, einfach duzen. Fingerspit­zengefühl, zuhören, andere akzeptiere­n, wie sie sind, aber auch Grenzen setzen und sich nicht alles gefallen lassen. Das ist der Rat, den der frischgeba­ckene Träger des Bundesverd­ienstkreuz­es künftigen ehrenamtli­chen Helfern mit auf den Weg gibt.

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FOTO: DEREK SCHUH Rettungssa­nitäter, Kursleiter, Nikolaus: Für all das, was Hans Schmid jahrzehnte­lang geleistet hat, bekommt er von Minister Guido Wolf (rechts) das Bundesverd­ienstkreuz.

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