Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Angst essen Rekordmeister auf
or einigen Jahren, es stand mal wieder ein Spiel des FC Bayern München gegen Italiens Rekordmeister Juve an, als Gianluigi Buffon inmitten eines bis dahin sehr professionell verlaufenen Interviews seufzte. „Weißt du, es ist nicht leicht, Buffon zu sein“, stieß der Torwart hervor. Jahre vorher hatte Buffon, schon damals Mythos, Idol und Heiliger des Calcio, an depressiven Verstimmungen gelitten, später war ihm der Freitod Robert Enkes sehr nahegegangen. Doch darum ging es ihm in unserem Gespräch nicht. Was Buffon damals meinte, war ungefähr das, was sein langjähriger Kollege Oliver Kahn einst mit den zwei Wörtern „dieser Druuuuck“umschrieb: Der Zwang der Gewinner, immer gewinnen zu müssen. Beim FC Bayern führte dies so weit, dass irgendwelche Marketingexperten sogar dem an sich nichtssagenden „Mia san Mia“diese auch als „Bayern-DNA“umschriebene Bedeutungsebene implementiert haben. Insofern war Carlo Ancelottis Analyse nach dem wieder sehr mühsamen und wieder sehr rumpligen 2:1 seiner Bayern bei Werder Bremen nur auf den ersten Blick überraschend. „Wir waren ängstlich, weil wir unbedingt gewinnen wollten“, hatte Ancelotti gesagt. Die Münchner hatten schließlich die letzten zwölf Pflichtspiele zuvor gegen Bremen gewonnen, in der Vorrunde war bei Ancelottis Pflichtspieldebüt ein 6:0 herausgekommen. Am Samstag dagegen hatten die Münchner nach dem Anschlusstreffer durch Max Kruse in der 53. Minute total den Faden verloren. Oder, wie es Ancelotti bezeichnete: „Wir haben unsere Spielidee verloren und nur noch verteidigt.“Gewonnen haben sie trotzdem, Tabellenführer bleiben sie auch. Nur es bleibt die Frage: Was passiert, wenn die Münchner demnächst in der Champions League auf den FC Arsenal um Trainer Arsène Wenger und Mittelfeld-Lenker Mesut Özil treffen? Die Londoner sind schließlich auch eine Douglas Costa (li) und Xabi Alonso scheinen im Zweikampf mit Bremens Thomas Delaney eher vom Ball wegzuspringen. Art Lieblingsgegner der Münchner. Flattern dann die Nerven wieder?
Vor ein paar Tagen veröffentlichte der VfL Wolfsburg in seinen sozialen Kanälen ein hübsches Video. Darauf zu sehen, wie Petter Solberg, früherer Rallye- und Rallyecrossweltmeister und neuerdings in VW-Diensten, den Mannschaftsbus der Wolfsburger mit dampfenden Reifen ordentlich kreiseln lässt. Am Ende des Videos ruft Mario Gomez seinen Kollegen zu: „Hey Männer, jetzt geht’s wieder rund!“Im Heimspiel gegen Augsburg folgte aber nur Gomez seinem Schlachtruf, er traf zum 1:0. Seine Kollegen von der VW-Betriebssportmannschaft kickten eher so, als ob ihnen noch schwindlig war: Das 1:2 war folgerichtig.
Beim HSV sollte 2017 ja mit dem neuem Vorstandschef Heribert Bruchhagen und dem neuen Manager Jens Todt alles besser werden. Stattdessen stand Todt nach dem 1:3 beim FC Ingolstadt da und sagte: „Wir haben gesehen, wie Abstiegskampf geht, aber leider nicht von uns. Es hat heute nichts gestimmt. Das war ein herber Rückschlag, der Druck wird größer.“Oder auch: die Angst der Verlierer vor dem Verlieren.