Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Unbequeme
„Platz der Republik 1“– eine symbolische Adresse mitten in Berlin. Als frühere Bundestagspräsidentin hat Rita Süssmuth immer noch ein Büro in der Hauptstadt. Die CDU-Politikerin, die heute 80 Jahre alt wird, mischt sich weiter ein – besonders, wenn es um Herzensanliegen wie Bildung, Integration und Gleichstellung von Frauen geht. Als wichtigsten politischen Erfolg wertet sie, die Grundlagen für die Aids-Prävention geschaffen zu haben.
1937 in Wuppertal geboren, wurde die Katholikin mit 34 Jahren Professorin für Erziehungswissenschaft. Die Mutter einer Tochter leitete die Kommission „Ehe und Familie“beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken und amtierte von 1980 bis 1985 als Vizepräsidentin des Familienbundes der Katholiken.
Süssmuth wurde das moderne Gesicht der CDU: Von 1987 bis 2002 war sie im Bundestag, dabei von 1988 bis 1998 als Bundestagspräsidentin zweite Frau im Staat. 1985 berief Helmut Kohl (CDU) sie als Familienund Gesundheitsministerin ins Kabinett, 1986 wurde sie erste Frauenministerin. Auf ihre Initiative hin verabschiedete der Essener Parteitag 1985 Leitsätze für eine neue Partnerschaft zwischen Mann und Frau und für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Auch das Erziehungsgeld geht mit auf sie zurück.
Schnell geriet die Politikerin mit dem konservativen Flügel der Union aneinander. Bei Themen wie Vergewaltigung in der Ehe und wegen ihrer positiven Haltung zu Zuwanderung und multikultureller Gesellschaft wurde sie als Liberale beschimpft. 1992 votierte sie für die Reform des Paragrafen 218, die eine Fristenlösung mit Beratungspflicht vorsah – und erntete heftige Kritik der Bischöfe. Als ein Lebensmotto zitiert sie den Schriftsteller Samuel Beckett: „Scheitern, weitermachen, noch mal scheitern, besser scheitern, weitermachen.“Bis heute engagiert sie sich politisch. Christoph Arens (KNA)