Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Beschuldigte akzeptieren Urteil nicht
Rechtsanwälte der Verurteilten legen Revision ein – Fall geht nun vor den Bundesgerichtshof nach Karlsruhe
Anwälte der Verurteilten im KopfschussProzess legen Revision ein.
WEINGARTEN - Beide Beschuldigte im Weingartener Kopfschuss-Prozess haben Revision gegen das Urteil des Landgerichtes Ravensburg eingelegt. Das bestätigte LandgerichtPressesprecher Franz Bernhard auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“. Damit ist das Urteil noch nicht rechtskräftig und landet jetzt vor den Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Dort muss der Prozess auf Form- oder Verfahrensfehler geprüft werden. Inhaltlich wird er aber nicht neu aufgerollt. Am 7. Februar hatte die erste Strafkammer des Landgerichts den 60-Jährigen und die 40 Jahre alte Tatverdächtige wegen gemeinschaftlichen Mordes an einem 49-jährigen Weingartener schuldig gesprochen.
Die Richter sahen es als erwiesen an, dass die beiden Beschuldigten am Abend des 21. Juni 2016 das Opfer in seiner eigenen Wohnung im Weingartener Möwenweg mit einem gezielten Kopfschuss aus nächster Nähe getötet hatten. Auch stellten sie beim 60-jährigen Mann die besondere Schwere der Schuld fest. Er hatte in einer ersten polizeilichen Befragung nach seiner Festnahme gestanden, den Schuss abgefeuert zu haben. Auch hatte er bereits mehr als 30 Jahre seines Lebens wegen zwei weiteren Tötungsdelikten, Raub und schwerer Körperverletzung in Haft gesessen. Da die Richter bei ihm die Mordmerkmale der niederen Beweggründe und Heimtücke ausgemacht hatten, verurteilten sie ihn zu einer lebenslangen Haftstrafe.
Vermindert schuldfähig Bei seiner 40 Jahre alten Komplizin wurde dagegen „nur“das Mordmerkmal der Heimtücke festgestellt. Die laut Gutachten psychisch schwer kranke Frau leidet an einer paranoiden Schizophrenie und ist alkoholabhängig. Daher wurde sie als ver- mindert schuldfähig eingestuft und bekam eine Haftstrafe von elf Jahren, die sie in der Psychiatrie verbüßen soll. Schon ihm Plädoyer ihres Rechtsanwalts Uwe Rung hatte dieser massiv die Staatsanwaltschaft und deren Beweiswürdigung kritisiert. Ihm sei die rechtliche Bewertung zu kurz gekommen und von der Staatsanwaltschaft ein „bisschen lapidar“und „zu einfach“gesehen worden. Rung hatte in diesem Zusammenhang auch von „Denkfehlern der Staatsanwaltschaft“gesprochen und maximal zehn Jahre Haft wegen Totschlags gefordert.
Revision, nicht Berufung Daher ist es wenig überraschend, dass nun Revision eingelegt wurde. Dabei muss deutlich zwischen Berufung und Revision unterschieden werden. „Es werden keine neuen Beweise angeführt. Es wird geprüft, ob das Urteil in sich schlüssig ist“, erklärte Bernhard die Revision. Konkret geht es darum zu überprüfen, ob die Urteilsbegründung schlüssig ist, das Strafmaß nicht angemessen ist oder der Tatbestand falsch ausgelegt wurde. Übergeordnet spricht man dabei von Verfahrens- oder Formfehler.
Im Gegensatz dazu hätte bei einer Berufung der ganze Prozess neu aufgerollt werden müssen – also noch einmal alle Zeugen und Gutachter gehört und die Beweisführung neu aufgenommen werden müssen. „Das würde dann noch mal ganz neu verhandelt werden“, erklärt Bernhard. Dann wäre der Fall zum Oberlandesgericht Stuttgart gegangen.
Doch nun wird der Fall vor der Ersten Strafkammer des Bundesgerichtshofes in Karlsruhe neu betrachtet. Zuerst muss das Urteil aber von den Ravensburger Richtern verschriftlicht werden und innerhalb von sieben Wochen bei der Geschäftsstelle des Landgerichtes Ravensburg eingehen. Dann wird es den Verteidigern zugestellt. „Das geschieht in der Regel innerhalb von zwei bis drei Tagen“, erklärt Bernhard.
Urteil innerhalb eines Jahres Etwas mehr Zeit haben dann die Rechtsanwälte, um die Revision schriftlich zu begründen. Ein Monat steht ihnen ab der Zustellung zu Verfügung. Allerdings müssen sie die Zustellung quittieren – und können sich dabei Zeit lassen. Schließlich könnten andere Fälle oder Urlaub sie anderweitig beschäftigen. Das werde teilweise gar als taktisches Mittel genutzt. „Da kann man ein bisschen Zeit schinden“, weiß Bernhard. „Ich kenne manche, die machen da mehrere Wochen draus.“Danach gehen die Akten aber tatsächlich zum BGH. Bis dieser ein Urteil fällt, dürfte es zwischen neun Monate und einem Jahr dauern, erklärt Bernhard.