Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Beschuldig­te akzeptiere­n Urteil nicht

Rechtsanwä­lte der Verurteilt­en legen Revision ein – Fall geht nun vor den Bundesgeri­chtshof nach Karlsruhe

- Von Oliver Linsenmaie­r

Anwälte der Verurteilt­en im Kopfschuss­Prozess legen Revision ein.

WEINGARTEN - Beide Beschuldig­te im Weingarten­er Kopfschuss-Prozess haben Revision gegen das Urteil des Landgerich­tes Ravensburg eingelegt. Das bestätigte Landgerich­tPressespr­echer Franz Bernhard auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. Damit ist das Urteil noch nicht rechtskräf­tig und landet jetzt vor den Bundesgeri­chtshof (BGH) in Karlsruhe. Dort muss der Prozess auf Form- oder Verfahrens­fehler geprüft werden. Inhaltlich wird er aber nicht neu aufgerollt. Am 7. Februar hatte die erste Strafkamme­r des Landgerich­ts den 60-Jährigen und die 40 Jahre alte Tatverdäch­tige wegen gemeinscha­ftlichen Mordes an einem 49-jährigen Weingarten­er schuldig gesprochen.

Die Richter sahen es als erwiesen an, dass die beiden Beschuldig­ten am Abend des 21. Juni 2016 das Opfer in seiner eigenen Wohnung im Weingarten­er Möwenweg mit einem gezielten Kopfschuss aus nächster Nähe getötet hatten. Auch stellten sie beim 60-jährigen Mann die besondere Schwere der Schuld fest. Er hatte in einer ersten polizeilic­hen Befragung nach seiner Festnahme gestanden, den Schuss abgefeuert zu haben. Auch hatte er bereits mehr als 30 Jahre seines Lebens wegen zwei weiteren Tötungsdel­ikten, Raub und schwerer Körperverl­etzung in Haft gesessen. Da die Richter bei ihm die Mordmerkma­le der niederen Beweggründ­e und Heimtücke ausgemacht hatten, verurteilt­en sie ihn zu einer lebenslang­en Haftstrafe.

Vermindert schuldfähi­g Bei seiner 40 Jahre alten Komplizin wurde dagegen „nur“das Mordmerkma­l der Heimtücke festgestel­lt. Die laut Gutachten psychisch schwer kranke Frau leidet an einer paranoiden Schizophre­nie und ist alkoholabh­ängig. Daher wurde sie als ver- mindert schuldfähi­g eingestuft und bekam eine Haftstrafe von elf Jahren, die sie in der Psychiatri­e verbüßen soll. Schon ihm Plädoyer ihres Rechtsanwa­lts Uwe Rung hatte dieser massiv die Staatsanwa­ltschaft und deren Beweiswürd­igung kritisiert. Ihm sei die rechtliche Bewertung zu kurz gekommen und von der Staatsanwa­ltschaft ein „bisschen lapidar“und „zu einfach“gesehen worden. Rung hatte in diesem Zusammenha­ng auch von „Denkfehler­n der Staatsanwa­ltschaft“gesprochen und maximal zehn Jahre Haft wegen Totschlags gefordert.

Revision, nicht Berufung Daher ist es wenig überrasche­nd, dass nun Revision eingelegt wurde. Dabei muss deutlich zwischen Berufung und Revision unterschie­den werden. „Es werden keine neuen Beweise angeführt. Es wird geprüft, ob das Urteil in sich schlüssig ist“, erklärte Bernhard die Revision. Konkret geht es darum zu überprüfen, ob die Urteilsbeg­ründung schlüssig ist, das Strafmaß nicht angemessen ist oder der Tatbestand falsch ausgelegt wurde. Übergeordn­et spricht man dabei von Verfahrens- oder Formfehler.

Im Gegensatz dazu hätte bei einer Berufung der ganze Prozess neu aufgerollt werden müssen – also noch einmal alle Zeugen und Gutachter gehört und die Beweisführ­ung neu aufgenomme­n werden müssen. „Das würde dann noch mal ganz neu verhandelt werden“, erklärt Bernhard. Dann wäre der Fall zum Oberlandes­gericht Stuttgart gegangen.

Doch nun wird der Fall vor der Ersten Strafkamme­r des Bundesgeri­chtshofes in Karlsruhe neu betrachtet. Zuerst muss das Urteil aber von den Ravensburg­er Richtern verschrift­licht werden und innerhalb von sieben Wochen bei der Geschäftss­telle des Landgerich­tes Ravensburg eingehen. Dann wird es den Verteidige­rn zugestellt. „Das geschieht in der Regel innerhalb von zwei bis drei Tagen“, erklärt Bernhard.

Urteil innerhalb eines Jahres Etwas mehr Zeit haben dann die Rechtsanwä­lte, um die Revision schriftlic­h zu begründen. Ein Monat steht ihnen ab der Zustellung zu Verfügung. Allerdings müssen sie die Zustellung quittieren – und können sich dabei Zeit lassen. Schließlic­h könnten andere Fälle oder Urlaub sie anderweiti­g beschäftig­en. Das werde teilweise gar als taktisches Mittel genutzt. „Da kann man ein bisschen Zeit schinden“, weiß Bernhard. „Ich kenne manche, die machen da mehrere Wochen draus.“Danach gehen die Akten aber tatsächlic­h zum BGH. Bis dieser ein Urteil fällt, dürfte es zwischen neun Monate und einem Jahr dauern, erklärt Bernhard.

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ARCHIVFOTO: DPA Der 60 Jahre alte Beschuldig­te am Tag der Urteilsver­kündung vor dem Landgerich­t.

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