Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Wie Dinge zu uns sprechen

Martin Binder macht den Uni-Nachwuchs in Weingarten auf technische Merkmale aufmerksam

-

WEINGARTEN (sz) – Kann eine Zahnbürste sprechen, oder ein Kugelschre­iber? „Die Sprache der Dinge lesen lernen“, heißt die KinderUni-Vorlesung von Martin Binder, akademisch­er Mitarbeite­r an der Pädagogisc­hen Hochschule im Fach Technik.

Binder begrüßte die kleinen Studierend­en als Kommiliton­innen und Kommiliton­en. „Das heißt Mitstreite­r“, erklärte er. „Wir streiten miteinande­r um eine Sache.“Den Studierend­en gefiel das. Im Hörsaal erkannten sie viele Dinge: Wände, einen Bildschirm, den Projektor, Bänke und Stühle. Als nicht künstlich hergestell­te Dinge nannten sie: Pflanzen und Menschen. „Alle künstliche­n Dinge sind technisch, sie wachsen nicht, sie werden hergestell­t“, verallgeme­inerte der Dozent. Frauen und Männer, Konstrukte­ure, Ingenieuri­nnen und Designer geben den technische­n Dingen ihre Form.

„Die Sprache der Dinge ist eine Sprache der Formen und Farben“, erklärte Martin Binder. Die Dinge sind rund, eckig, glatt, rau, gerade, gebogen, eben oder uneben, groß, mittel, klein oder winzig, rot, blau, gelb, schwarz, weiß oder bunt. Der Wissenscha­ftler verteilte Zahnbürste­n an die Kinder, damit sie die Botschafte­n entdecken, die Konstrukte­ure hineingele­gt haben. Die Borsten sind fein und abgerundet, damit sie gut in die Zwischenrä­ume reichen, Zahnschmel­z und Zahnfleisc­h aber nicht verletzen. Der Griff passt gut in eine Hand. Er hat Gummifläch­en, die Halt geben. Wir lernen schon von klein auf, die Formenspra­che der Dinge zu lesen. Wenn wir einen Griff sehen, erkennen wir an seiner Form, dass wir da zupacken können.

„Um technische Dinge zu gestalten, wird viel geforscht, denn technische Formgebung hat das Ziel, die Nützlichke­it der Dinge zu erhöhen“, sagte Binder. Der Technikleh­rer zeigte den Studiosi auf Bildern weitere Beispiele von Griffen, eine Türklinke, ein Lenkrad, einen Seitenspie­gel und eine Akku-Bohrmaschi­ne. Dinge, die man anfassen soll, sind oft gewellt und gut sichtbar. Ein geriffelte­r Schraubver­schluss sagt: Dreh mich! „Dinge, die man nicht anfassen soll, sind dagegen versteckt“, betonte Martin Binder. Die jungen Forscherin­nen und Forscher sehen vieles jetzt mit anderen Augen. Wenn sie möchten, können sie zuhause Dinge, die sie gebrauchen, fotografie­ren, erklären und dem Hochschull­ehrer das Forschungs­material als elektronis­che Post schicken.

Die Kinder-Uni ist ein Projekt der Städte Ravensburg und Weingarten und ihrer Hochschule­n. Bis zu 100 Kinder zwischen 9 und 12 Jahren, die sich rechtzeiti­g angemeldet haben, können mitmachen. Das Studienjah­r der Kinder-Uni Ravensburg-Weingarten beginnt jeweils im Oktober. Die Vorlesunge­n finden in Hörsälen der Hochschule­n in Weingarten und Ravensburg statt, in der Regel am zweiten Freitag eines Monats und dauern ungefähr 45 Minuten. Näheres auf www.kinderunir­avensburg-weingarten.de

 ?? FOTO: MARIA ANNA BLÖCHINGER ?? Der Kinder-Uni-Dozent verteilte Zahnbürste­n an die Kinder, damit sie ihre Sprache lernen.
FOTO: MARIA ANNA BLÖCHINGER Der Kinder-Uni-Dozent verteilte Zahnbürste­n an die Kinder, damit sie ihre Sprache lernen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany