Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Wir können nicht einfach zur Tagesordnung übergehen“
CDU-Innenpolitiker Ansgar Heveling über die türkischen Spitzelaktivitäten in Deutschland
BERLIN - Die geheimdienstlichen Aktivitäten der Türkei in Deutschland seien eine Gefahr für die bespitzelten Menschen, darum mussten die Türken auf der Liste gewarnt werden, sagt Ansgar Heveling (CDU, Foto: dpa). Im Interview mit Rasmus Buchsteiner kritisiert der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag die Entscheidung der Bundesregierung, die Abstimmung beim türkischen Referendum in der Bundesrepublik zu erlauben.
Die Türkei hat in Deutschland offenbar Anhänger der Gülen-Bewegung ausspioniert. Welche Dimension hatte das Spähen? Es sind offensichtlich sehr umfangreiche Informationen über Einzelpersonen und Institutionen wie Schulen oder Vereine gesammelt worden – teils mit vermutlich heimlich aufgenommenen Bildern. Man muss davon ausgehen, dass von türkischer Seite in erheblichem Maße nachrichtendienstliche Tätigkeit in Deutschland stattgefunden hat. Das ist ein ernster Vorgang, eine groß angelegte Aktion. Wir können danach nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.
Die Entscheidung des Bundesnachrichtendienstes und der Länder, die Betroffenen rasch zu informieren, war deshalb auch richtig? Es gab keine Alternative dazu. Wir können nicht hinnehmen, wenn ausländische Nachrichtendienste in Deutschland tätig sind. Es geht auch um die Sicherheit von Menschen, die bei uns leben. Wir können nicht akzeptieren, dass innertürkische Konflikte in Deutschland auf diese Art und Weise ausgetragen werden.
Wie groß ist die Bedrohung für diejenigen, die auf der Liste stehen? Sie haben erkennbar das Interesse des türkischen Geheimdienstes geweckt. Das bedeutet, dass sie in Gefahr sein könnten. Das gilt auch, wenn sie ein türkisches Konsulat betreten, wenn sie ihre Stimme beim laufenden Referendum abgeben. Es ist besorgniserregend, dass hier eine derart große Personenzahl in den Fokus geraten ist. Die gezielte Bedrohung oder Verfolgung von Menschen, die einfach nur im Konsulat wählen wollen, wäre eine neue Qualität, eine weitere Stufe der Eskalation.
War es ein Fehler, die Abstimmung beim Referendum auch in Deutschland zu gestatten? Ich sehe keine Verpflichtung Deutschlands, dieses Referendum hier durchführen zu lassen. Der Außenminister hätte auch anders entscheiden können. Und man sollte sich angesichts der Ereignisse für die Zukunft zweimal überlegen, solche Unterstützung zu gewähren.