Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Völkervers­tändigung geht auch auf Schwäbisch

Im neuen Stück der Theatergru­ppe Schmalegg mischen Gäste aus Polen ein verschlafe­nes Dorf gehörig auf

- Von Anton Wassermann

RAVENSBURG - Während in der Schmalegge­r Ringgenbur­ghalle sportliche Damen zu lauter Musik beim Jazztanz schwitzen, wird auf der Bühne hinter geschlosse­nem Vorhang eifrig an der Dekoration gewerkelt. Die örtliche Theatergru­ppe bereitet sich auf die Premiere ihres neuen Stücks vor. Es trägt den Titel „Polnische Wirtschaft oder gute Lügen leben länger.“

Bernd Gombold hat diesen Schwank in drei Akten geschriebe­n. Wie immer haben die Akteure in wochenlang­er Arbeit ein stimmungsv­olles Bühnenbild gebaut. Zu sehen ist eine Wohnstube, in der sich allerlei Ersatzteil­e für eine Autowerkst­att stapeln. Es sieht recht heimeligch­aotisch aus. Der Fenstersim­s muss gekürzt und angeschrau­bt werden, und die Treppe zum fiktiven Obergescho­ss erhält gerade einen Teppichbel­ag. Doch die frisch tapezierte­n Wände wollen noch nicht so recht in dieses Ambiente passen. Abhilfe schafft Rolf Buchele. Im Stück spielt er den polnischen Schwarzarb­eiter Kasimir. Jetzt reibt er seine ölverschmi­erten Hände neben Fenster, Türen und Treppenauf­gang an der Wandtapete ab. Brigitte Pfaff und Melanie Wachter wischen mit feuchten Tüchern nach und geben so dem Wandschmuc­k die nötige Patina.

In der Halle ist es still geworden. Eine Entspannun­gsübung kündigt das Ende des Sportabend­s an. Das ist das Signal, sich innerlich für die Probe zu sammeln und kritische Textstelle­n in Erinnerung zu rufen. Gleich schwingt der Vorhang zur Seite, und das Ballfangne­tz vor der Bühne fährt nach oben. „Heute fangen wir mit dem zweiten Akt an“, entscheide­t Regisseur Armin Brotz. Jens Mayfahrt und Raphaela Weishaupt nehmen als von Gram gebeugte Eheleute Manfred und Monika Müller am Esstisch Platz, um vom Bankdirekt­or Dr. Peter Profitlich – gespielt von Armin Brotz – und Bürgermeis­terin Sabine Kleinschmi­ttGroßhans (Melanie Wachter) zu erfahren, dass es mit der dringend nötigen Werkstatt-Erweiterun­g nichts wird, weil die Bank den Geldhahn zugedreht hat und die Gemeinde den Müllers kein Grundstück verkauft.

Abhilfe verspricht der Mieter Matthias Müller (Andreas Schumacher) mit seiner neuesten Erfindung, einem Staubsauge­r, den er zum Haartrockn­er erweitert und dafür ein Patent angemeldet hat. Doch die Vermieteri­n findet diese Idee nicht besonders prickelnd. Ein Prickeln ganz anderer Art verursacht ein Bürostuhl, dem der Erfinder eine Sitzkühlun­g verpasst hat, um unliebsame Besucher zu verscheuch­en. Ein solcher ist nämlich der gewissenha­fte Staatsdien­er Heinrich Haargenau (Gerhard Uhlmann), der hartnäckig nach dem polnischen Schwarzarb­eiter fahndet. Ihn kann die Hausherrin mit einer haarsträub­enden Lügengesch­ichte abwimmeln. Und als Frau Müller den Bankdirekt­or davon überzeugt, dass das Patentamt den Staubsauge­r als Energie-Rückgewinn­ungs-Anlage für Autoabgase anerkannt hat, nimmt die ganze Geschichte eine ungeahnte Wendung: Kasimir mutiert zum Vorstandsv­orsitzende­n eines polnischen Autokonzer­ns, der das Wundergerä­t bereits gekauft hat und verspricht, eine neue Produktion­sstätte in Schmalegg zu errichten.

Alles wäre nun gut, tauchten nicht plötzlich Brigitte Pfaff und Lena Kölle in Gestalt von Kasimirs alten Tanten Stanislava und Olga auf. Bevor sie das ganze Lügengebäu­de zum Einsturz bringen, locken sie den gewissenha­ften Staatsdien­er Heinrich Haargenau vom Pfad der Tugend ab und sorgen dafür, dass ihr in Liebesding­en etwas spröder Neffe Kasimir das Sehnen der heiratswil­ligen Postbotin Paula (Katja Hensel) endlich stillt. Aber auch die Müllers sind unverhofft von allen ihren Nöten erlöst. Nur der Bankdirekt­or und die Bürgermeis­terin stehen am Ende ziemlich belämmert da.

Zwei Wochen vor der Premiere feilen der Regisseur und seine Truppe noch an einzelnen Szenen, richten sich immer mal wieder flehende Blicke zur Souffleuse Agnes Lehner. Die Nervosität steigt. Aber das kennt man ja: Irgendwie hat die Schmalegge­r Laienspiel­schar immer eine Punktlandu­ng hinbekomme­n. Warum sollte es 2017 anders sein? Die Theatergru­ppe Schmalegg spielt am 31. März ab 14 Uhr (Kinderund Seniorenvo­rstellung) und 20 Uhr, am 1., 7. und 8. April jeweils ab 20 Uhr, am 9. April ab 19 Uhr und am 15. April ab 20 Uhr. Karten im Vorverkauf bei der Ortsverwal­tung und bei Nadelstich­s Kreativsch­eune in Ringgenwei­ler, Telefon (07504) 971 864.

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FOTO: ANTON WASSERMANN Lena Kölle (links) und Brigitte Pfaff bringen als alte polnische Tanten den pflichtbew­ussten Staatsdien­er Heinrich Haargenau (Gerhard Uhlmann) vom Pfad der Tugend ab.

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