Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Vorspiel für die Eurofighter
Ihr Duell kommt den deutschen Fußball-Vorreitern FC Bayern und Borussia Dortmund heute eher ungelegen
MÜNCHEN - Gute Nachrichten aus Dortmund für alle Freunde der Liebe: Innenverteidiger Marc Bartra hat die Frau, nach der er so lange recherchiert hatte, gefunden. Steffi, 47, aus Lünen, besuchte Bartra am Donnerstag beim Training, der Spanier („Es war ein echtes Vergnügen“) schenkte ihr sein Trikot, Fotos zeigen die beiden bei herzlichen Umarmungen. Der Fußballstar und der einsame weibliche Fan, der sich allein im Borussen-Trikot unter Tausende Schalke-Fans auf die Tribüne getraut hatte, sie sind also vereinigt – Fußball kann so romantisch sein.
Und Fußball kann sehr unromantisch sein, denn Bartras stürmischer Kollege Pierre-Emerick Aubameyang hat derzeit offenbar nur eins im Sinn – Aufsehen zu erregen und seinen Werbewert zu erhöhen. Die Jubeleinlage des Franzosen auf Schalke mit einer Werbemaske seines Privatsponsors Nike – Dortmunds Ausrüster ist Konkurrent Puma – wirkte derart unbedarft und doch so kommerziell ausgeklügelt, dass man die BVB-Führung für ihre Geduld mit dem 27-Jährigen bewundern muss. „Wir können das nicht hinnehmen und haben es sanktioniert. Er hat das auch eingesehen. Es wird nicht wieder passieren“, sagte BVB-Sportdirektor Michael Zorc. Die unbezifferte Geldstrafe zahlt der beste Torjäger der Liga (25 Treffer) aber wohl aus der Portokasse.
Sie können es sich nicht verscherzen mit ihrem brandschnellen 100Millionen-Euro-Marktwertstürmer, nicht jetzt, vor den Wochen der Entscheidung, in denen sich zeigen wird, ob Dortmunds Kader dick genug ist. Bis Saisonende dürfte sich der BVB noch einen Dreikampf um Platz zwei und drei und die sicheren ChampionsLeague-Plätze liefern, bis zum letzten Spieltag gegen Hoffenheim. Die Frage, was wichtiger ist – die Dienstag beginnenden Champions-League-Viertelfinals gegen Monaco, das DFB-PokalHalbfinale bei den Bayern oder die Bundesliga – kann Dortmund also getrost mit „alles“beantworten.
Wie gut hat es da der heutige Gegner aus München im ewig brisanten Gipfel (18.30 Uhr/Sky). Der Rekordmeister, wie stets um diese Jahreszeit der Konkurrenz um zehn bis 15 Zähler enteilt, könnte sich eigentlich gemütlich zurücklehnen in der Liga und seine B-Elf spielen lassen, den fünften Titel in Folge würde er auch so einheimsen. Wollen die Bayern aber nicht. Nicht gegen Dortmund, einen Gegner, bei dem es stets um Ruhm, Prestige und immer auch um die Sprachhochheit im deutschen Fußball geht. Und schon gar nicht vor den Duellen gegen das große Real Madrid, den Champions-League-Titelverteidiger, der am Mittwoch in München gastiert. Warm- und einspielen wollen sich die Bayern, Selbstvertrauen sammeln nach einer 0:1-Niederlage in Hoffenheim, die sie wieder geerdet hat. Natürlich kommt Dortmund den Bayern, die ihre Asse lieber schonen würden, heute ebenso ungelegen wie Bayern den Dortmundern, die ihre Asse ebenfalls gern schonen wollen, nur: So ein Spielplan ist kein Ponyhof.
Weltmeister Mats Hummels, einst eingefleischter Dortmunder, inzwischen eingefleischter Münchner, wehrte sich im Vorfeld verzweifelt dagegen, dass die Partie zum Vorspiel der Eurofighter kleingeredet wird. Eine Generalprobe sei das nicht, „das macht mir das Spiel ein bisschen zu klein“, sagte er, tatsächlich haben die Bayern ihre Schonzeit ab heute für beendet erklärt. Ihre Stars Thiago, Philipp Lahm und Franck Ribéry sollen wieder spielen, nur Thomas Müller und Manuel Neuer müssen noch bis Mittwoch warten. Für Sven Ulreich, den Dauer-Reservisten im Tor, der inzwischen die Freigabe für einen Wechsel erhalten hat, dürfte es gegen Dembélé und Aubameyang zu einem netten Bewerbungsgespräch kommen. „Wir werden gegen Dortmund alles auf den Platz bringen, was wir haben“, kündigt Hummels an, man wolle „mit einem guten Gefühl aus dieser schwierigen Woche herausgehen“. Zweimal in einer Saison gegen Dortmund verlieren – im Hinspiel hatte es dank Aubameyang ein 0:1 gesetzt –, das gilt es zu vermeiden.
Sich im Eifer des Gefechts zu verletzen wäre ebenfalls kontraproduktiv, das Dumme ist nur: Zurücknehmen kann man sich gegen die unberechenbaren, offensivstarken Dortmunder kaum. Das, was beide Teams trennt, ist klar ersichtlich: Während die Bayern mit ihrem Quintett NeuerLahm-Hummels-Boateng-Alaba, abgesichert von Haudegen Vidal, die wohl beste Defensive der Welt stellen und im Schnitt gerade mal ein halbes Gegentor pro Spiel kassieren, konnte Dortmund den Abgang von Hummels bis dato nicht kompensieren. Ob das im nächsten Jahr mit Zugang Ömer Toprak gelingt, bleibt die Frage. 33 Chancen mehr zugelassen als die Bayern haben die Borussen und doppelt so viel Treffer kassiert, also 28. Vorne dagegen sind beide Teams gleichwertig. Der BVB hat mit 196 Chancen etwa so viel erspielt wie die Bayern (204).
Drei Dortmunder auf der Kippe Dortmund weiß, dass Hoffenheim und Leipzig nicht nachlassen werden. „Wir dürfen uns keinen Ausrutscher mehr erlauben“, sagt Zorc. Auch Manager Hans-Joachim Watzke kennt den Stellenwert der Partie, die am 26. April im Pokal – ausnahmsweise im Halbfinale – eine Neuauflage erhalten wird. „Für uns“, sagt Watzke, „geht es um mehr als für die Bayern.“Dass Marco Reus (Lauftraining nach Faserriss) wieder spielt, ist dennoch ausgeschlossen, auch André Schürrle und Erik Durm müssen passen, zudem steht der Einsatz von Julian Weigl, Lukasz Piszczek und Shinji Kagawa auf der Kippe. Trainer Thomas Tuchel bleibt Optimist: „Wir trauen uns zu, über 90 Minuten auf Augenhöhe mit den Bayern zu sein.“
Bliebe noch die Frage, wer gewinnt. Sechzig Prozent der „Kicker“-Leser (und die Wettanbieter) glauben an Bayern, nur 30 Prozent an Dortmund, das sich gegen die Großen in dieser Saison meist leichter tut und immerhin schon gezeigt hat, wie man Real hinter sich lässt. Aber vielleicht sollte man als Orakel am besten die Haare von Pierre-Emerick Aubameyang befragen. Die leuchten dank ihrer gelben Sterne angeblich auch im Dunkeln und können bestimmt auch hellsehen.
Voraussichtliche Aufstellungen München: Ulreich - Lahm, Boateng, Hummels, Alaba - Alonso, Vidal - Robben, Thiago, Ribéry Lewandowski. – Dortmund: Bürki - Passlack, Sokratis, Bartra, Schmelzer - Sahin, Castro - Pulisic, Dembélé, Guerreiro - Aubameyang