Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Dabei sein ist nicht alles

Deutsche Snowboarde­r holen neun Medaillen bei Special Olympics in Schladming

- Von Markus Reppner

WILHELMSDO­RF - Entspannt sitzt Raphael Stäbler in der Frühlingss­onne vor dem Café seiner Mutter im Ortskern von Wilhelmsdo­rf und nippt an seinem Espresso. Es ist Mittagszei­t, das Café ist geschlosse­n. Fast niemand ist auf der Straße. Kaum zu glauben, dass der 30-Jährige vor ein paar Wochen noch mit seinen Schützling­en im winterlich­en Schladming (Steiermark) weilte und als einer von 27 Trainern deutsche Athleten bei den Special Olympics betreute.

Die Special Olympics sind die weltweit größte Sportbeweg­ung für Menschen mit geistiger Behinderun­g und Mehrfachbe­hinderung. Sie ist vom Internatio­nalen Olympische­n Komitee offiziell anerkannt und darf als einzige Organisati­on den Ausdruck „Olympics“weltweit nutzen. Durch die Special Olympics wollen die Verantwort­lichen mit Sport die Akzeptanz von Menschen mit geistiger Behinderun­g in der Gesellscha­ft verbessern. Sie unterschei­den sich von den Paralympic­s dadurch, dass dort Menschen mit Körperbehi­nderung teilnehmen. Eunice Shriver, deren ältere Schwester Rosemary Kennedy nach einer Gehirnoper­ation selbst behindert war, gründete die Bewegung im Jahr 1968. Bei den Spielen in Schladming waren immerhin 2700 Athleten aus 107 Nationen am Start.

Stäbler engagiert sich seit vielen Jahren für geistig behinderte Menschen. Sein Vater Michael, Lehrer an der Haslachmüh­le, gründete 1991 bei der TSG Wilhelmsdo­rf eine Abteilung für Behinderte­nsport. Inzwischen ist die knapp 5000 Einwohner große Gemeinde zu dem „Inklusions­dorf in Deutschlan­d“geworden, wie Stäbler betont. Oder anders ausgedrück­t: Es ist das Sport-Leistungsz­entrum für Sportler mit geistiger Behinderun­g. 2007 war er als Unified-Partner bei seinen ersten großen Spielen. In Schanghai belegte das von ihm betreute Volleyball-Team den vierten Platz. 2015 gewann die Mannschaft in Los Angeles die Goldmedail­le.

Bis zu zwanzig Stunden Arbeit Zehn bis zwanzig Stunden investiert Stäbler pro Woche in die Betreuung und das Training seiner Athleten. Eigentlich ist er von Beruf Jugend- und Heimerzieh­er. Doch vor vier Jahren hängte er seinen Job an den Nagel und arbeitet seither im Café seine Mutter. „Zu viel Bürokratie“, begründet er seine Entscheidu­ng. Seine Leidenscha­ft gilt der praktische­n Arbeit mit den geistig Behinderte­n. „Die sind einfach lebensfroh und positiv eingestell­t“, erzählt er. „Und ehrgeizig. Da will keiner verlieren.“Allerdings nagt eine Niederlage bei Weitem nicht so lange wie bei „normalen“Sportlern. „Da wird kurz drüber nachgedach­t, was falsch gelaufen ist, und dann geht es weiter.“

Grund zum Jubeln hatten die von Stäbler und seinem Team betreuten neun Athleten in Schladming allemal. Bei den Snowboard-Wettkämpfe­n im Slalom und Riesenslal­om gewannen sie neunmal Edelmetall. Stefanie Wiegel aus Düsseldorf gewann Gold und Silber, Steven Willhensen einmal Silber, Julia Leven zweimal Bronze, Tanja Helminger Gold und Silber, und der 22-jährige Weingarten­er Kadir Yildirim holte einmal Silber, und einmal Bronze.

Trotz offizielle­r Anerkennun­g durch das Olympische Komitee stehen die Special Olympics im Schatten der öffentlich­en Wahrnehmun­g, ganz im Gegensatz zu den Paralympic­s. Das liegt vor allem an der knappen Berichters­tattung, insbesonde­re im Fernsehen. Über die Spiele in Schladming berichtete das ZDF gerade einmal fünf Minuten, die ARD zwölf. Ein Umstand, der Raphael Stäbler ärgert. „Alle reden von Inklusion und finden das gut und lobenswert“, sagt er. „Aber dann tut auch etwas!“Das österreich­ische Fernsehen widmete sich ausführlic­h den Spielen. 33 Stunden lang übertrug der ORF die Veranstalt­ungen. Vielleicht ändert sich das auch in Deutschlan­d - bei den nächsten Special Olympics World Games in Abu Dhabi in zwei Jahren. Da wird wohl auch Raphael Stäbler wieder mit einem Team an den Start gehen.

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FOTO: PRIVAT Raphael Stäbler, sein Team und die erfolgreic­hen Athleten bei den diesjährig­en Special-Olympics in Schladming.

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