Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
China kann Kims Atombombe nicht alleine entschärfen
Die schnörkellose Bezeichnung „Typ 001A“lässt keine Rückschlüsse auf die gewaltigen militärischen Ambitionen Chinas ziehen, das sich als führende Seestreitmacht auf den Weltmeeren positioniert. 50 000 Tonnen schwer und 75 Meter breit ist der erste selbstgebaute Flugzeugträger der Volksrepublik, der am Mittwoch sein Dock in Dalian verlassen hat. Das Kriegsschiff bietet 36 Kampfjets Platz und ist mit seinen 315 Metern Länge nur ein wenig kürzer als die nukleargetriebene Nimitz-Klasse der US Navy.
Die feierliche Taufe des „Typ 001A“zur Zeit der wachsenden Spannungen in Südostasien kann auch als Ansage an den neuen Herrn im Weißen Haus verstanden werden, dass China den USA vor seiner Haustür nicht die politische Initiative überlassen will. Das betrifft die Territorialkonflikte im Südchinesischen Meer, vor allem aber die Nordkorea-Krise.
Bei seinem US-Besuch Anfang April hat Staatschef Xi Jinping mit Präsident Donald Trump vereinbart, die Koordination im Umgang mit dem unberechenbaren Atomwaffenfan Kim Jong-un zu verbessern, der den Westen mit immer neuen Raketentests provoziert. Von einer vertrauensvollen Partnerschaft zwischen Peking und Washington kann aber noch keine Rede sein.
Die USA haben ihren Flugzeugträger „USS Carl Vinson“– nach Darstellung Trumps eine „schlagkräftige Armada“– in Richtung koreanische Halbinsel geschickt, um die Führung in Pjöngjang zu warnen. Am Mittwoch begann das US-Militär mit dem Aufbau eines „THAAD“-Systems in Südkorea, das der Abwehr von Kurzund Mittelstreckenraketen aus dem Norden dient. China sieht durch THAAD seine Sicherheitsinteressen bedroht, weil das Frühwarnsystem auch Pekings Raketenpotenzial erfassen und seine Strategie beeinträchtigen könnte, Militärschläge gegen USStreitkräfte im Pazifik auszuführen.
Xi sorgt sich wohl noch mehr über einen möglichen Militärkonflikt mit Kim Jong-un. In einem Telefonat mit Trump am Mittwoch übte er sich in Deeskalation. Er hoffe, dass alle Seiten „Handlungen vermeiden können, die die Spannungen auf der Koreanischen Halbinsel weiter verschärfen“könnten, sagte Chinas Staatschef. Das Problem dabei: Xi hat nicht mehr viel diplomatischen Spielraum. Sein Einfluss auf Kim ist offenbar gesunken. China gilt als einziger Verbündeter des diktatorisch regierten Landes, doch die nordkoreanische Führung zeigt in letzter Zeit demonstrativ, dass sie auf Rat und Unterstützung aus Peking herzlich wenig Wert legt.
Darum sah sich China seit Februar zu Sanktionen gezwungen, um Kim zur Räson zu bringen. Zunächst stoppte es bis Jahresende seine Kohleimporte aus dem Nachbarland. Nun will Xi womöglich auch den Erdölverkauf nach Nordkorea einschränken lassen. Es ist ein Schritt mit viel Drohpotenzial: Immerhin deckt das Land zurzeit fast seinen gesamten Ölbedarf mit den Lieferungen aus China. In den Medien wurde bereits von einem akuten Treibstoffmangel in Nordkorea berichtet, weil Benzin möglicherweise rationiert wird.
Ob diese Maßnahmen alleine das Problem des nordkoreanischen Atomwaffenprogramms lösen werden, ist aber unwahrscheinlich. Nach der Einschätzung der Londoner Denkfabrik Chatham House wird Xi weiter Druck auf Kim Jong-un ausüben, dabei aber erwarten, dass die USA die Krise mit Nordkorea entschärfen, die sie aus der Sicht Pekings durch ihre kurzsichtige Diplomatie selbst mitverursacht haben.