Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Kirchentag ringt um eine Botschaft
uf dem Evangelischen Kirchentag suchen Deutschlands Protestanten nach Auswegen und Antworten in einer komplizierten Welt. Eines wird dabei klar: Die eine Botschaft gibt es nicht.
Am Ende hält es die Zuhörer nicht mehr auf ihren Papphockern. „Was Anderes soll uns retten, als die Vernunft?“, hatte gerade Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auf dem Evangelischen Kirchentag zum Abschluss einer beeindruckenden Rede in die Menge gefragt. Er traf damit einen Nerv. Zwar wird immer wieder gemutmaßt, die Evangelischen wünschten sich weniger Politik und mehr Spiritualität von ihren Kirchen. Doch die Sehnsucht nach Frieden, Gerechtigkeit und Menschlichkeit in Zeiten von Populismus und vermeintlich einfachen Lösungen ist wohl noch immer wach.
Die eine gemeinsame Botschaft fanden die Teilnehmer dann vielleicht auch nicht – wohl aber Zusammenhalt. Zum großen Abschlussgottesdienst in Wittenberg kamen am Sonntag 120 000 Gläubige.
„Du siehst mich“, lautete das Motto des Kirchentags. „Doch siehst Du mich wirklich“?, hallte es in dem Trubel zurück. In einen christlichen Wohlfühlkosmos konnten sich die Besucher in ihren orangenen Schals nicht zurückziehen. Schon die Polizeipräsenz am Messegelände mit Gepäckkontrollen machte spürbar, dass niemand von der Terrorbedrohung ausgeklammert ist. Mitten in das Gespräch mit dem Großimam der Kairoer Al-Azhar-Moschee über Frieden zwischen den Religionen platzte dann auch die Nachricht über den blutigen Anschlag auf koptische Christen in Ägypten.
Und dann war da noch Barack Obama: Zehntausende freuten sich über den Auftritt des früheren USPräsidenten. Superstar und Lichtgestalt am Brandenburger Tor – schon am ersten Programmtag erreichte der Kirchentag seinen Höhepunkt.
Bei einem Kirchentag im Festjahr des Reformationsgedenkens ging es natürlich auch um die Ökumene. Der Münchner Kardinal Reinhard Marx bekräftigte unter großem Applaus den Willen zur Annäherung der beiden Kirchen in Deutschland. „Wollen wir zusammengehen? Wir wollen es!“, sagte Marx bei einer Begegnung mit dem EKD-Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm.
Ob von dem Kirchentag 500 Jahre nach der Reformation ein Ruck ausgeht für die Kirchen, oder ob es eher ein Aufbäumen in einer Zeit mit schrumpfender Mitgliederschaft und gesellschaftlicher Relevanz ist, muss sich noch zeigen. Nach vielen Foren und Aktionen zum Reformationsgedenken quer durch Deutschland kommt nämlich wieder der graue Alltag, in dem nicht nur leere Kirchenbänke den Verantwortlichen Sorge bereiten.