Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Polizeibeamte trainieren Bergungstechnik mit dem Hubschrauber
Alpine Einsatzgruppe wird bei einer Übung zum Absturz eines Skibergsteigers am Großen Wilden gerufen
PFRONTEN - Seit einigen Wochen üben Alpinpolizisten verschiedene Bergungs- und Sicherungstechniken mit dem Hubschrauber im Gebiet des Kienbergs bei Pfronten. 20 Alpinbeamte der Allgäuer Polizei nahmen an der Fortbildung im Grenzgebiet zwischen Ostallgäu und Tannheimer Tal teil. Eine Übung wurde jedoch jäh unterbrochen, als sich am Großen Wilden bei Bad Hindelang ein tödliches Bergunglück ereignete. Ein 64-jähriger Skibergsteiger aus dem Oberallgäu stürzte dort in der Gamswanne ab. Der Polizeihubschrauber flog zum Unglücksort.
Es ist 20 Minuten nach 9 Uhr, als der blau-silberfarbene Polizeihubschrauber Edelweiß aus München auf einer Weidelichtung unterhalb des Kienbergs einschwebt. Zuvor haben die Beamten den Übungsablauf noch kurz besprochen. Die meisten wissen, um was es geht. Sie sind alte Hasen, wenn es um alpine Sicherungstechnik geht. Immerhin haben zehn von 20 Alpinpolizisten des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West die Prüfung zum Polizeibergführer abgelegt.
Darunter ist auch Ronja Lewandowski aus dem Oberallgäuer Steibis, einem Ortsteil von Oberstaufen. Die 29-Jährige ist derzeit noch die einzige weibliche Polizei-Bergführerin. Seit ihrer Kindheit und Jugend geht sie in die Berge und hat es nach eigenen Worten nicht bereut, neben ihrem normalen Job als Polizistin, auch in der alpinen Einsatzgruppe zu sein.
Jährlich 120 Einsätze Alle Alpinpolizisten seien auch in ihrer Freizeit viel in den Bergen unterwegs, schildert Jürgen Müller, der die Übung organisiert hat. Bei der Polizei ist er eigentlich für die Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität zuständig. Doch wenn sich Bergunfälle ereignen, werden Alpinpolizisten kurzfristig abgeordert, schildert Christian Batscheider. Der 43-jährige Beamte ist stellvertretender Leiter der Alpinen Einsatzgruppe der Allgäuer Polizei. Nach seinen Worten absolvieren die Alpinpolizisten des Präsidiums in Kempten im Jahr etwa 120 Einsätze – von der Kollision auf der Skipiste über Kletterunfälle bis hin zum Suizid in den Bergen.
Inzwischen hat Pilot Carsten Lüthje die Maschine auf der Alpweide aufgesetzt. Matthias Füller, zuständig für die Ausbildung am Hubschrauber, erklärt den Alpinbeamten, um was es heute geht. Er zeigt, wie und wo sie sich selbst sichern müssen, bevor sie am 50 Meter langen Seil abgelassen werden.
Und dann trainieren die Polizisten an drei Stationen, wie sie aus dem Hubschrauber zu einem Unfallort abgelassen werden und wie ein Verletzter im Bergesack eingepackt wird. Oder, wie ein Leichensack vom Hubschrauber in der Luft an Bord gezogen wird. Ganz neu im Einsatz ist an diesem Tag ein neues Bergegerät des Bergsport-Spezialisten Petzl.
Tragesack gerät ins Trudeln Eines der größten Probleme beim Bergen mit der Winde: Durch Luftbewegungen kommt ein Tragesack, in dem sich ein Verletzter befindet, häufig ins Trudeln – er dreht sich dann immer schneller und wird für den ebenfalls am Seil hängenden Retter unbeherrschbar. Durch die Rotation kann es beim Patienten zu weiteren Verletzungen kommen. Deshalb trainieren die Alpin-Polizisten in den Pfrontener Bergen verschiedene Methoden, wie ein Bergesack am Hubschraubertau stabilisiert werden kann.
Wenig später ist die Polizeimaschine mit einer Rettungsmannschaft an Bord auf dem Weg zum Großen Wilden. In der in den Frühlingsmonaten bei Skibergsteigern beliebten Gamswanne hat sich ein schwerer Unfall ereignet. Ein 64-jähriger Tourengeher war kurz unterhalb des Gipfels abgerutscht und über felsiges Gelände gestürzt. Sein Begleiter versuchte, ihm zu Hilfe zu eilen. Nach Angaben der Polizei rutschten beide Bergsteiger dann aber 200 Meter das steile Schneefeld hinunter. Der unverletzt gebliebene Begleiter versuchte erfolglos, den 64-Jährigen wiederzubeleben. Andere Tourengeher in der Nähe setzten einen Notruf ab.
Noch bevor Bergwacht und Alpinpolizei am Unglücksort sind, erliegt der Mann seinen schweren Verletzungen. Die Alpinpolizei übernimmt die weiteren Ermittlungen. Beide Skitourengeher waren gut ausgerüstet.