Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Sperrzonen für Alkohol kommen
Land gibt Kommunen aber die Möglichkeit, Sperrzonen für Saufgelage zu erlassen
STUTTGART (kab) - Das Land kippt das nächtliche Verkaufsverbot für alkoholische Getränke. Zeitgleich dazu bekommen die Städte und Gemeinden ab Herbst die rechtliche Möglichkeit, Alkoholkonsum an Brennpunkten zu verbieten. Diese Neuregelung ist nur ein Bestandteil der Änderung des Polizeigesetzes, die die grün-schwarze Landesregierung am Dienstag in Stuttgart auf den Weg gebracht hat. In erster Linie bekommen die Sicherheitsbehörden mehr Befugnisse – unter anderen sollen sie einfacher Telefonate abhören und erstmals Nachrichten auf WhatsApp und anderen Messenger-Diensten mitlesen können.
STUTTGART - Ab Herbst sollen die Baden-Württemberger auch wieder nach 22 Uhr Bier, Wein und Schnaps kaufen können. Das hat die Landesregierung am Dienstag beschlossen. Zeitgleich sollen Städte und Gemeinden die Möglichkeit bekommen, an bestimmten Orten den Alkoholkonsum zu verbieten. Die Regelung ist Teil der Änderungen des Polizeigesetzes und des Verfassungsschutzgesetzes, die das Kabinett nun auf den Weg gebracht hat.
Seit 2010 gilt im Südwesten zwischen 22 und 5 Uhr ein Verbot für den Verkauf von Alkohol. Die damals schwarz-gelbe Landesregierung wollte mit dem Gesetz, dem auch die oppositionelle SPD zugestimmt hatte, junge Leute vor nächtlichen Saufgelagen schützen. „Das war eine sehr breit streuende Schrotflinte“, so Innenminister Thomas Strobl (CDU) am Dienstag in Stuttgart über das Verbot. „Wir haben den rund zehn Millionen erwachsenen Baden-Württembergern verboten, sich nach zehn am Bahnhof noch ein Bügelpfandfläschchen Bier zu kaufen.“
Die Regierungspartner hatten sich bereits während der Koalitionsverhandlungen darauf geeinigt, das Verkaufsverbot zu kippen. Stattdessen, so Strobl, sollen die Kommunen „treffsicher zeitlich und örtlich begrenzt eingreifen können“. Denn im neuen Polizeigesetz bekommen die Städte und Gemeinden eine rechtliche Grundlage dafür, den Konsum von Alkohol an konkreten Orten und zu bestimmten Zeiten verbieten zu dürfen. Die Stadt Freiburg hatte eine solche Sperrzone in der Altstadt eingerichtet. Nachdem ein Student dagegen geklagt hatte, kippte der Verwaltungsgerichtshof im Juli 2009 das Alkoholkonsumverbot allerdings, da es nicht vom Polizeigesetz gedeckt war. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sprach nun von einer Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung. „Der Gemeinderat kann darüber reden, ob er es für sinnvoll hält oder nicht.“
Gemeindetagspräsident Roger Kehle reagierte mit Unverständnis auf die Aufhebung des Alkoholverkaufsverbots, da es Wirkung gezeigt habe. Er begrüßte aber die Gesetzesgrundlage für Sperrzonen: „Endlich wurde eine langjährige kommunale Forderung aufgegriffen und man kann vor Ort dafür sorgen, dass der Belästigung der Bevölkerung durch Verschmutzung, Lärm und Pöbeleien als Folge von Trinkgelagen ein Riegel vorgeschoben wird.“Auch Gudrun Heute-Bluhm, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Städtetags, lobte, dass die Kommunen nun bald Brennpunkte beruhigen können. „Eine solche Regelung trägt zur Sicherheit bei“, sagte sie.
Mehr Überwachung möglich Durch die Neuerungen in den Gesetzen bekommen die Sicherheitsbehörden überdies zusätzliche Befugnisse. Wie vorab berichtet, sollen sie über sogenannte Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) bereits Telefonate abhören und Textnachrichten lesen dürfen, wenn es einen Hinweis auf einen Anschlag gibt. Mit der sogenannten Quellen-TKÜ sollen die Behörden auch verschlüsselte Nachrichten auf Diensten wie WhatsApp mitlesen können. Spezialeinsatzkräfte sollen mit Handgranaten ausgestattet werden und „Gefährder“mit einer Fußfessel überwacht werden können. Die CDU hätte gerne noch Online-Durchsuchungen und die Vorratsdatenspeicherung eingeführt, dem verweigerten sich aber die Grünen.