Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Neue Vorwürfe gegen Winterkorn
Ex-VW-Chef war laut Ermittlern früher als bisher bekannt über Dieselskandal informiert
WOLFSBURG/BERLIN (dpa) - Es ist ein Trauerspiel in zahlreichen Akten: Enthüllung des Dieselbetrugs, milliardenschwere Einigung in den USA, Klagewelle, dann langsames Abflauen der VW-Krise. Und nun neue Vorwürfe. Im Mittelpunkt: Mal wieder Ex-Konzernchef Martin Winterkorn. Von Kronzeugen und US-Ermittlungsakten wird der 70-Jährige schwer belastet.
Winterkorn habe mindestens zwei Monate vor Bekanntwerden des Skandals von den Manipulationen erfahren, schrieb die „Bild am Sonntag“. Ein VW-Abgasspezialist habe dem damaligen VW-Chef sowie VW-Markenchef Herbert Diess bei einem Treffen am 27. Juli 2015 ausführlich die Betrugssoftware erklärt, mit der weltweit etwa elf Millionen Fahrzeuge manipuliert wurden.
VW hüllt sich in Schweigen „Ich hatte nicht das Gefühl, dass Winterkorn zum ersten Mal davon gehört hat“, zitiert die Zeitung den heutigen Kronzeugen und beruft sich auf Hunderte Zeugenbefragungen, FBI-Berichte, interne E-Mails und geheime Präsentationen. Volkswagen erklärte dazu auf Nachfrage: „Vor dem Hintergrund laufender Ermittlungen äußern wir uns zu den genannten Sachverhalten inhaltlich nicht.“Winterkorn war zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.
Nach Konzernangaben hat die VW-Führungsspitze um den damaligen Konzernchef Winterkorn nur wenige Tage vor Bekanntwerden des Skandals in den USA detailliert von den Manipulationen erfahren. Gegen Winterkorn, Diess, den heutigen VWVorstandsvorsitzenden Matthias Müller sowie den VW-Aufsichtsratschef und ehemaligen Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch laufen in Deutschland bereits Ermittlungen wegen des Verdachts der Marktmanipulation. Sie sollen den Kapitalmarkt entgegen der Vorschriften nicht rechtzeitig über die Probleme informiert haben. Außerdem ermittelt die Staatsanwaltschaft Braunschweig gegen fast 40 Beschuldigte wegen Betrugsverdachts, auch gegen Winterkorn. Das Bundesverkehrsministerium wollte den Bericht nicht kommentieren.
Die Sitzung vom 27. Juli hatte nach Informationen der Deutschen PresseAgentur deutlich mehr als ein Dutzend Teilnehmer, dazu kamen weitere Zuhörer wie Büroleiter oder Referenten. Die US-Kanzlei Jones Day, die im VW-Auftrag den Dieselskandal untersucht, habe in diesem Zusammenhang mehr als 50 „Interviews“geführt. Allerdings seien die Aussagen der Teilnehmer widersprüchlich. Nicht alle Beteiligten befanden sich durchgehend im Raum; zudem sei das Protokoll der Sitzung nicht von allen unterschrieben worden.
Die kalifornische Umweltbehörde CARB war dem Medienbericht zufolge seit Februar 2015 von einem „Defeat Bundesumweltministerin Barbara Hendricks mahnt die deutschen Autobauer zu mehr Tempo beim Umstieg auf alternative Techniken wie den Elektroantrieb. „Wenn die deutsche Autoindustrie so weitermacht wie bisher, wird sie in spätestens zehn Jahren auf dem Weltmarkt ernste Probleme haben“, sagte die SPD-Politikerin der „Rheinischen Post“. Der Druck aus anderen Ländern nehme zu, vor allem aus China, sagte sie. „Und das ist auch gut so.“Die Autoindustrie hierzulande sei in der Vergangenheit weltweit so erfolgreich gewesen, weil die besten technologischen Innovationen aus Deutschland kamen. „Warum soll das nicht auch bei alternativen Antrieben so sein?“, fragte sie. Auf die Frage, ob es – wie in Stuttgart geplant – Fahrverbote für schmutzige Dieselfahrzeuge geben Device“ausgegangen und hatte sich mehrfach mit VW-Vertretern getroffen. „Jetzt haben wir Ärger. Sie haben uns erwischt“, habe ein VW-Manager nach einem Treffen mit der Behörde am 8. Juli 2015 kommentiert, berichtet das Blatt unter Berufung auf US-Akten. „Winterkorn hat niemanden angewiesen, die Existenz der Software preiszugeben. Und nur Winterkorn konnte diese Entscheidung treffen“, zitiert das Blatt den Kronzeugen. Vielmehr habe der damalige VW-Chef nur genehmigt, das Problem bei Gesprächen mit den US-Behörden „teilweise“offenzulegen. Der Kronzeuge habe schließlich selbst in einem Treffen mit CARB-Vertretern am 19. August 2015 den Betrug erklärt. Winterkorn, Diess und dem damaligen Entwicklungschef Heinz-Jakob Neußer sei in einer Sitzung am 25. August 2015 vorgerechnet worden, dass der Skandal den Autobauer allein in den USA bis zu 18,5 Milliarden Dollar kosten könne. sollte, sagte Hendricks: „Die können allenfalls das letzte Mittel sein.“Die Autoindustrie sei in der Verantwortung, dass es dazu nicht komme. So habe der Diesel eine steuerliche Bevorzugung nur verdient, wenn er sein Umweltversprechen einhält. „Im Moment sieht es nicht danach aus.“Die Ministerin schlug vor, wegen der hohen Dieselquote bei Dienstwagen Steuerprivilegien für solche Fahrzeuge an deren Emissionen zu koppeln. Zwischen 2008 und 2016 ist die Zahl der Diesel-Pkw um mehr als 44 Prozent gestiegen. Die IG Metall warnte vor weitreichenden Folgen möglicher Fahr- Barbara Hendricks (SPD).
2015 hatten Behörden in den USA aufgedeckt, dass VW die StickoxidWerte von Dieselfahrzeugen manipulierte. Weltweit waren elf Millionen Autos betroffen, darunter knapp 2,4 Millionen in Deutschland. Unmittelbar nach dem Bekanntwerden brach der Börsenkurs der VW-Aktie ein. Winterkorn trat bald danach zurück.
Mittlerweile hat der Konzern in den USA Vergleiche in Höhe von mehr als 22 Milliarden Euro geschlossen. Ein VW-Manager sitzt in den USA in Haft, ein langjähriger Ingenieur hat sich in einem US-Verfahren schuldig bekannt, fünf weitere Mitarbeiter sind dort angeklagt, darunter Ex-VW-Entwicklungschef Neußer.
Kürzlich wurde im Zuge der Ermittlungen gegen VW-Tochter Audi wegen geschönter Diesel-Abgaswerte in Deutschland ein Beschuldigter verhaftet. Ihm werde Betrug und unlautere Werbung vorgeworfen. Daneben gibt es in Europa viele Klagen von Aktionären und Autobesitzern. verbote sowie einer verstärkten Umstellung auf Ottomotoren. „Der CO2-Ausstoß würde steigen, wenn Diesel durch Benzin ersetzt würde, die Verbraucher würden kalt enteignet, da der Restwert ihrer Fahrzeuge leidet, und die Jobs Tausender Beschäftigter, die für diesen Skandal nicht verantwortlich sind, wären gefährdet“, sagte Gewerkschaftschef Jörg Hofmann. Er verstärkte die Forderung nach einer blauen Plakette, die nur schadstoffärmeren Autos die Einfahrt in belastete Innenstädte erlauben würde. Diese lehnt das Verkehrsministerium ab. Für den 2. August kündigen Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und Hendricks ein „Nationales Forum Diesel“mit Autoherstellern und Länder-Vertretern an, bei dem Maßnahmen zur Reduzierung der Schadstoffemissionen bei Dieselautos vereinbart werden sollen. (dpa)