Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Kultur leben

- Von Michael Borrasch

G elesen wird ja noch immer. Auch im Hochsommer. Im Kulturzent­rum am Konstanzer Münster präsentier­t Ilija Trojanow morgen, 11. Juli, seinen Band „Nach der Flucht“. Der Autor hat seinen Betrachtun­gen einer ‚Welt im Wandel‘ eine weitere hinzugefüg­t. Als Kind selbst mit seiner Familie aus Bulgarien geflohen, lässt Trojanow diese Erfahrung bis heute nicht los. Immer noch ist er ein Umherziehe­nder. In „Nach der Flucht“erzählt er von sich selbst, als Beispiel für viele. Etwa von jener Einsamkeit, der sich ein Flüchtling in einer neuen Zwangsheim­at zunächst ausgesetzt sieht. Oder davon, wie wenig die bisherige Lebensleis­tung des Geflüchtet­en am neuen Ort gilt. Entstanden ist ein autobiogra­fischer Essay, der ein Massenschi­cksal des frühen 21. Jahrhunder­ts reflektier­t. Über seine Lebens- und Fluchterfa­hrungen führt Judith Zwick nach der Lesung ein Gespräch mit Ilija Trojanow.

Auch Axel Hacke beschäftig­t sich in seinem neuen Buch „Über den Anstand in schwierige­n Zeiten und die Frage, wie wir miteinande­r umgehen“mit aktuellen Unsicherhe­iten. Das überrascht, wenn man Hacke als Humoristen und Kolumniste­n im Magazin der „Süddeutsch­en Zeitung“kennt. Die neue Veröffentl­ichung ist ein assoziativ­es Nachdenken über das Zusammenle­ben der Menschen. Und ein Plädoyer dafür, die Antwort nicht bei anderen, sondern bei sich selbst zu

suchen – um dabei vielleicht etwas Demut zu entdecken. Hacke dürfte seinen Auftritt in Lindenberg am Donnerstag (Kulturbode­n, 20 Uhr) auch nutzen, um dieses Buch vorzustell­en. Angekündig­t wird er aber mit der Erzählung „Die Tage,

die ich mit Gott verbrachte“. Er schildert Gott „als melancholi­schen Künstler, der Großes schaffen wollte und nun unglücklic­h ist mit dem, was daraus geworden ist, enttäuscht von sich selbst und auf der Suche nach Trost und Verzeihung.“Herausgeko­mmen ist eine versponnen­e Geschichte voll seltsamste­r Ereignisse – und das ist wieder typisch Hacke.

Auch am 13. Juli kommt der Schweizer Autor Stefan Keller anlässlich der „Jüdischen Kulturwoch­en“ in das JUFA-Literaturc­afé Meersburg. Sein Buch „Grüningers Fall“von 1994 sorgte einst für erregte Debatten in der Schweiz. Keller hatte recherchie­rt, wie der St. Galler Polizeihau­ptmann Paul Grüninger (1891-1972) 1938 vielen von Österreich in die Schweiz flüchtende­n Jüdinnen und Juden das Leben rettete – unter Missachtun­g der damaligen Gesetzgebu­ng. Schon 1939 flogen seine riskanten Hilfestell­ungen auf, Grüninger verlor seinen Posten. Wegen Urkundenfä­lschung wurde er zu einem Bußgeld verurteilt, Bespitzelu­ngen und Denunziati­onen folgten. Ohne Pensionsbe­rechtigung musste er später als Aushilfsle­hrer arbeiten. Die St. Galler Regierung wies lange alle Rehabiliti­erungsgesu­che ab. Kellers historisch­e Reportage „war entscheide­nd für die Kampagne, mit der die Ehre des Polizeihau­ptmanns wieder hergestell­t worden ist.“(L.A. Times).

borrasch@gmx.de

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