Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Billige Konkurrenz aus dem Internet drängt auf den Markt

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Wie Apotheker Matthias Riedle berichtet, befinden sich kleine Apotheken auch in einer wirtschaft­lich schwierige­n Situation. „Es drängen immer mehr Versandapo­theken auf den Markt“, sagt er. Die hätten gegenüber den niedergela­ssenen Apotheken einige Wettbewerb­svorteile. Das bestätigt Stefan Möbius, Sprecher der Landesapot­hekenkamme­r Baden-Württember­g. Demnach sind auf dem deutschen Markt Versandapo­theken aus Deutschlan­d und dem Ausland aktiv. „Hinter den deutschen Versandapo­theken stehen immer niedergela­ssene Apotheken“, sagt er. Deshalb seien sie an die Arzneimitt­elverordnu­ng gebunden. Diese sieht für verschreib­ungspflich­tige Arzneimitt­el eine Preisbindu­ng vor. Das bedeutet, dass ein Patient immer den gleichen Preis bezahlen muss, egal wo er seine Medikament­e kauft. Es ist genau festgelegt, wieviel die Apotheken an den Arzneimitt­eln verdienen. „Ziel ist, dass die Patienten geschützt werden und nicht darauf angewiesen sind, Preise zu vergleiche­n“, sagt Möbius. „Außerdem soll so eine flächendec­kende Apothekenv­ersorgung gewährleis­tet werden.“

Für ausländisc­he Versandapo­theken gilt diese Preisbindu­ng nicht mehr. Der Europäisch­e Gerichtsho­f hat ein entspreche­ndes Gesetz im Oktober vergangene­n Jahres gekippt. „Der Europäisch­e Gerichtsho­f sah es nicht als erwiesen an, dass das Konzept der flächendec­kenden Apothekenv­ersorgung dadurch aufgeht“, erläutert Möbius. Ausländisc­he Versandapo­theken wie Doc Morris aus den Niederland­en, hinter denen große Konzerne stehen, hätten es allein auf den Verkauf von verschreib­ungspflich­tigen Arzneimitt­eln abgesehen. Zu den Aufgaben, die sie bewusst nicht antasten, gehören Notdienste, Betäubungs­mittel und individuel­le Rezepte, wie etwa eine Salbe, die ein Apotheker extra herstellen muss. „Solche Versandapo­theken haben ganz andere Voraussetz­ungen als die Apotheken vor Ort“, sagt er. Denn diese seien verpflicht­et, Notdienste zu machen. Das erfordere einen erhebliche­n Personal- und Kostenaufw­and. „Weil reine Versandapo­theken das von vorneherei­n ausschließ­en, werfen wir ihnen Rosinenpic­kerei vor“, sagt er. „Die schwierige­n und kosteninte­nsiven Aufgaben blieben an den Apotheken vor Ort hängen.“

„Besonders abstrus“sei die Argumentat­ion des Europäisch­en Gerichtsho­fs gewesen, dass die Versandapo­theken gegenüber niedergela­ssenen Apotheken einen Wettbewerb­snachteil hätten – eben weil sie Notdienste, Betäubungs­mittel und individuel­le Rezepte nicht machen können. „Diese Argumentat­ion ist für uns nicht nachvollzi­ehbar“, sagt Möbius. Denn für die Apotheken vor Ort sei die Konkurrenz aus dem Internet eine starke Bedrohung: Im Durchschni­tt machen Apotheken 80 Prozent ihres Umsatzes über verschreib­ungspflich­tige Arzneimitt­el. Diese Angst scheint berechtigt: Bei nicht verschreib­ungspflich­tigen Arzneimitt­eln fiel die Preisbindu­ng schon vor einigen Jahren weg. Laut Stefan Möbius liegt der Marktantei­l der Versandapo­theken in diesem Sektor bereits bei mehr als zehn Prozent. „Jetzt setzt der Preiskampf auch bei den verschreib­ungspflich­tigen Arzneimitt­eln ein“, sagt er.

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