Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Vor 50 Jahren den Apfel geschossen
Reinhard Bouley wollte gar nicht mitschießen, doch dann traf er den Reichsapfel
RAVENSBURG (sz) - Genau 50 Jahre ist es her, dass Reinhard Bouley beim Adlerschießen den Reichsapfel geschossen hat. An das Rutenfest 1967 kann sich Bouley noch gut erinnern, schreibt er der „Schwäbischen Zeitung“. Damals titelte die „Schwäbische Zeitung“: Nur Superlative für das Rutenfest 1967: Bestes Wetter seit Menschengedenken / Leere Fässer – volle Kassen. Dem könne er sich aus seiner Erinnerung nur anschließen, so Bouley.
Ein 50-jähriges Schützenkönigjubiläum zu feiern, ist wohl nur einem kleinen Kreis vorbehalten. Dabei wäre es zu Bouleys Armbrustschuss auf den Reichsapfel fast nicht gekommen. Die Aussicht, als 293. Schütze nach nahezu über zwei Stunden nach Eröffnung des Adlerschießens anzutreten, war nicht sehr verlockend und wohl auch kaum aussichtsreich, einen Haupttreffer zu landen, ist man es doch mittlerweile gewohnt, dass der Reichsapfel keine 30 Minuten den Adler schmückt.
Vielmehr lockte das damalige Wetter von über 30 Grad Celsius eher zu einem Besuch in den Flappachweiher. Doch Reinhard Bouleys Mutter, die inzwischen verstorbene Chefin des „Waldhorn“, ließ dies jedoch nicht gelten, „was zu einer eher seltenen Auseinandersetzung mit meiner Mutter führte“, schreibt Bouley. Heute würde man wohl salopp sagen: „Geht gar nicht!“. Eher missgelaunt machte sich der junge Bouley also wieder Richtung Kuppelnau auf den Weg, nachdem er sich bereits nach dem Schützenumzug aus dem Staub gemacht hatte.
Beim Eintreffen auf der Kuppelnau war die Überraschung groß, da vom leer geputzten Adler nur noch der Reichsapfel unübersehbar übrig blieb. „Wie jeder Schütze vor mir hielt ich auf den Apfel und habe zunächst gar nicht realisiert, dass mein Schuss diesen wegfegte“, erinnert sich Bouley. Der Schützenbetreuer, der für die Schützen die Armbrust spannte, rief ihm unvergessen zu: „Los, hol ihn!“. Erst in diesem Augenblick wurde Bouley klar, was geschehen war.
Die anschließende Überreichung der Schützenfahne wurde von Akteuren vorgenommen, deren Namen heute noch viel Klang in der Stadtgesellschaft besitzen: OB Karl Wäschle, Kommissionsvorsitzender Benno Graf und Schützenvater Vetter: Nur einer fehlte: der unvergessene ANZEIGE Schützenbetreuer Karl Wild, der damals schon von schwerer Krankheit gezeichnet war. Gefeiert wurde am Abend nicht in den „WaldhornSälen“sondern in den „Altdeutschen Weinstuben“, was nur zu besonderen Anlässen geschieht, wie sieben Jahre zuvor, als das „Waldhorn“sein 100-jähriges Bestehen beging. Alle, die am „Waldhorn“vorbeigingen, wurde zum Mitfeiern hereingebeten, was fast zu einem Versorgungsengpass führte. Alle Metzgereien in Ravensburg wurden gebeten, „Rutenfestschüblinge“anzuliefern.
Ravensburger Hesse 50 Jahre sind seitdem vergangen, von denen Bouley 45 Jahre außerhalb von Ravensburg verbrachte – zuletzt im Zentralen Baumanagement des hessischen Finanzministeriums in Wiesbaden. Bei seiner kürzlichen Verabschiedung fragte ihn der Staatsminister, ob er inzwischen ein Hesse sei. Ihm antwortete er: „Hier ja..., aber im Herzen bin ich Ravensburger!“