Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Rasende Raubkatze im Ruhestand
Der legendäre Jaguar E-Type ist einer der Höhepunkte im Auto- und Traktormuseum in Uhldingen-Mühlhofen
Es ist ein Ausflug in die eigene Kindheit. In eine goldene Zeit, in der der Liter Benzin noch rund 50 Pfennige kostete, in der der VW Käfer die Straßen beherrschte und der Jaguar E-Type als Star im Autoquartett galt. Mit dem feinen Unterschied nur, dass die legendäre Raubkatze, die 1961 auf dem Genfer Automobilsalon das Licht der Welt erblickte, in diesem Moment leibhaftig vor uns steht und den Anschein erweckt, als könnte sie gar nicht mehr kräftig zum Sprung ansetzen. Ein Trugschluss angesichts von 269 PS. Nein, wir lassen uns nicht täuschen, auch wenn dieser E-Type seinen Ruhestand mit Blick auf den Bodensee genießt – im Auto- und Traktormuseum in UhldingenMühlhofen.
Im gesellschaftlichen Kontext
150 Pkw, 50 Motorräder sowie 200 Traktoren hat Gerhard Schumacher, umtriebiger Museumsbesitzer und bienenfleißiger Sammler, im Hinterland des Schwäbischen Meers auf einem komplett sanierten und dann wieder auf alt getrimmten Bauernhof vorfahren lassen. Dabei erlebt der Besucher auf rund 10 000 Quadratmetern weitaus mehr als eine bloße Aneinanderreihung historischer, mobiler Kostbarkeiten. „Der gesellschaftliche Kontext“, in dem all die Fahrzeuge gerollt seien, solle deutlich werden in dieser Ausstellung, sagt der Ingenieur und Kaufmann. Ein Vorhaben, das geglückt ist. Und so gewähren unzählige kleine Ecken – liebevoll gestaltet und akribisch genau eingerichtet – Einblick in das Leben der vergangenen gut 100 Jahre. Die Werkstätten von Schmied, Schuhmacher oder Küfer mitsamt den historischen Werkzeugen finden ebenso Platz im Museum wie beispielsweise das winzige Klassenzimmer einer Dorfschule, der Spielwarenladen, der Kiosk mit Zeitungen aus den 1960er-Jahren oder zeittypische Wohnzimmer. Eine Sisyphosarbeit, so ahnt der Besucher, muss das gewesen sein, die Abertausenden Exponate zusammenzuklauben. Wer all das auch nur annähernd erfassen will, sollte mehrere Stunden für den Rundgang einplanen.
Beginnen kann diese Tour im Erdgeschoss bei den zum Teil über 100 Jahre alten Traktoren, in der Abteilung „Landleben“, die einem großen Dorf gleicht. Wahre Ungetüme aus der ganzen Welt prägen hier das Bild, die einst auf Rädern aus Holz, Eisen oder Vollgummi oder gar schon auf Luftreifen über die Äcker schnaubten. Namen wie Fendt, MAN, Lanz, Hanomag, Allgaier und Porsche Diesel Motorbau lassen die Augen von intimen Kennern schnell leuchten. „Wir zeigen nur die Crème de la Crème der Traktoren“, behauptet Schumacher denn auch selbstbewusst. Hausmänner und -frauen, die ein nicht ganz so inniges Verhältnis zur Landwirtschaft pflegen, stehen dagegen mit ungläubigen Blicken vor den Gerätschaften, die anno dunnemals für die große Wäsche genutzt wurden. Der Satz „Früher war alles besser“kommt hier nicht einmal hemmungslosen Nostalgikern über die Lippen.
Autofans, die den Rundgang in der Abteilung „Leben in der Stadt“fortsetzen, sind sich da wahrscheinlich nicht so einig. Viele von ihnen schätzen zwar die technischen Segnungen
Sommerzeit
der Neuzeit, verachten aber in gleichem Maße die meist ideenlosen, uniformen, glatt geschliffenen Designs moderner Karossen. Wie wohltuend ist da doch ein Bummel zwischen der „Knutschkugel“Isetta, der Giulietta von Alfa Romeo, dem Porsche 356 sowie 912, dem VW Karmann-Ghia, dem Ford Capri und sogar dem Opel Manta, der insbesondere dem Fuchsschwanz zu landesweiter Beachtung verholfen hat. Stilsicherheit war eben auch in der automobilen Vergangenheit keine Selbstverständlichkeit.
Alles in allem aber ein echter Schatz, den Schumacher gehoben und in Uhldingen-Mühlhofen ausgestellt hat. Die Liebe zum Traktor und zum Automobil begleitet ihn dabei schon von Kindesbeinen an. Kein Wunder, wächst er doch auf einem Bauernhof auf den Fildern auf. Bereits mit 15 Jahren repariert er Autos, um sein Taschengeld aufzubessern. Doch erst gut 30 Jahre später legt er, mehr durch Zufall, den Grundstein fürs Museum. „Als ich mit Freunden zum Holzmachen in den Wald gefahren bin, entstand die Idee, dass wir einen Traktor kaufen könnten“, sagt Schumacher rückblickend und klingt dabei noch immer begeistert. Und dann sei eben einer zum anderen gekommen – teils sogar aus den USA und aus Südamerika, immer gern mit gut sichtbaren Gebrauchsspuren.
2013 ist es dann soweit, der in Göppingen lebende Ingenieur eröffnet zunächst sein Traktormuseum am Bodensee. Ende 2016 erwirbt er schließlich die komplette, berühmte
ANZEIGE Oldtimersammlung von Fritz B. Busch aus Wolfegg und verdoppelt die Ausstellungsfläche in Uhldingen. Am 1. März diesen Jahres sperrt das neue Museum seine Tore auf – breiter aufgestellt und auf stärkeren Zuspruch hoffend. Aus 100 000 Besuchern pro Jahr sollen 120 000 werden, um die sich 55 Mitarbeiter – auch in der angeschlossenen Gastronomie – kümmern. Das Hobby, es ist längst zum Geschäft geworden. Die freundlichen Augen von Schumacher blitzen aber bestimmt noch aus einem anderen Grund: einfach zu hübsch, dieser Jaguar E-Type ...
Weitere Informationen: Tel. 07556/928360,