Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Lehrlinge beklagen Überstunden und Druck
DGB fordert Reform der betrieblichen Ausbildung – Zahl der Lehrverträge sinkt weiter
BERLIN/WIESBADEN (dpa) - Regelmäßige Überstunden und übermäßiger Druck vom Chef verleiden vielen Auszubildenden laut einer Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) ihre Ausbildung. Vor allem im Hotel- und Gaststättengewerbe klagen viele Azubis laut DGB über die Zustände. „In der Ausbildung als billige Arbeitskräfte missbraucht zu werden, das ist die Realität in dem Bereich“, sagte die DGB-Vize-Chefin Elke Hannack am Donnerstag in Berlin. Auch Berufe aus dem Handwerk wie Friseure und Lebensmittel-Fachverkäufer sowie Fachangestellte in Zahnarztpraxen finden sich am unteren Ende der Bewertungen.
Insgesamt leistet über ein Drittel der Azubis regelmäßig Überstunden. Im Schnitt sind es 4,2 Stunden mehr. Von diesen Azubis bekommen laut DGB mehr als 13 Prozent weder Bezahlung noch Freizeitausgleich. Für 35 Prozent liegt kein betrieblicher Ausbildungsplan vor. Mehr als jeder zehnte Azubi übt regelmäßig ausbildungsfremde Tätigkeiten aus.
„Je größer der Betrieb, desto höhere Zufriedenheit mit der Ausbildung“, sagte die DGB-Jugendsekretärin Manuela Conte. Am zufriedensten sind Elektroniker, Industriekaufleute, Industriemechaniker und Zerspanungsmechaniker. Der DGB forderte Bund und Länder auf, mehr in die Berufsschulen zu investieren. „Wir brauchen einen Berufsschulpakt, mit dem sich Bund und Länder verpflichten, mehr Geld in die Hand zu nehmen.“
Insgesamt haben im vergangenen Jahr weniger Jugendliche eine Ausbildung begonnen. Im Vergleich zu 2015 sank die Zahl der neu abgeschlossenen Lehrverträge um 1,3 Prozent auf den historischen Tiefstand von rund 510 000, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch in Wiesbaden berichtete. 2016 war damit das fünfte Jahr in Folge mit sinkenden Berufsanfängerzahlen in diesem Bereich. Die absolute Zahl der Auszubildenden ist bereits seit 2008 rückläufig und betrug im vergangenen Jahr noch 1,32 Millionen. Im Jahr 2000 hatte es mehr als 1,7 Millionen Auszubildende gegeben.
Erneut war bei den Berufsanfängern die Lehre im Einzelhandel mit 29 142 Verträgen am beliebtesten. Es folgen Bürokaufleute, Verkäufer, Kraftfahrzeugmechatroniker und Industriekaufleute.