Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Die Wut des Retro-Youngsters
Alexander Zverev galt als Favorit bei den US Open – Nach dem Aus überwiegt der Frust
NEW YORK (SID) - Alexander Zverev feuerte wutentbrannt seine Akkreditierung auf den Tisch. Es galt, Ballast abzuwerfen nach einer der bittersten Niederlagen in der noch jungen Karriere des deutschen Hoffnungsträgers. „Ich weiß, dass ich hier große Dinge hätte erreichen können. Dinge, die ich bislang noch nicht erreicht habe“, so der an Position vier gesetzte Zverev nach seinem überraschenden Zweitrunden-K.o. bei den US Open.
Der Frust über die vertane Chance war so groß, dass der hoch gehandelte Hamburger nach der offiziellen Pressekonferenz im Bauch des Arthur-Ashe-Stadioms weitere TVund Radio-Interviews verweigerte. Eigentlich ein No-Go. Aber auch ein deutliches Zeichen dafür, wie tief der Stachel der Enttäuschung saß.
Aus dem Mitfavoriten von New York war auf dem Grandstand binnen 3:26 Stunden ein Profi geworden, der nach dem Aus vor allen Dingen mit sich selbst ins Gericht ging. „Es ist frustrierend. Ich habe gegen einen 20-Jährigen gespielt. Es ist ja nicht so, dass ich gegen Roger Federer oder Rafael Nadal verloren habe“, meinte Zverev nach dem 6:3, 5:7, 6:7 (1:7), 6:7 (4:7) im Duell mit dem gleichaltrigen Kroaten Borna Coric, Nummer 61 im Ranking. In der Umkleidekabine hielt sogar Mischa Zverev lieber Abstand vom wütenden kleinen Bruder. „Er erwartet immer sehr viel von sich. Sascha braucht jetzt noch diese Erfahrung, denn ein Grand Slam ist immer noch was anderes als ein normales Turnier“, sagte Mischa Zverev, der parallel zur Niederlage des Weltranglistensechsten in die dritte Runde von Flushing Meadows einzog.
Alexander Zverev strich sich indes durch die blonde Mähne, als er nach den Gründen für seinen erfolglosen Auftritt gefragt wurde. Bezeichnenderweise mit dem 58. Unforced Error hatte der wieder im Retro-Oufit spielende die Partie beendet, in der er im vierten Satz drei Satzbälle in Folge vergeben hatte.
Hemmte „Sascha“Zverev etwa der Druck, der nach seinen jüngsten Turniererfolgen in Washington und Montréal (Finalsieg gegen Federer) entstanden war? „Nein“, entgegnete er energisch, „ich muss ja schon seit frühester Jugend mit Erwartungen umgehen.“Bezeichnend auch, dass die „New York Times“(„Zverevs Weg zum ersten Grand-Slam-Sieg wird immer klarer“) dem Newcomer zu Beginn des Events eine große Story gewidmet hatte.
Und die allgemeine Erwartungshaltung bei den US Open hielt der 1,98-m-Schlaks für durchaus angemessen: „Ich habe dieses Jahr große Turniere gewonnen. Vom Tennisstandpunkt her hatte ich auch das Gefühl, dass ich ein Favorit bin.“
Doch die Diskrepanz zwischen seinem Abschneiden bei den Majors (ein Achtelfinale in Wimbledon als bestes Ergebnis) und den anderen Tournaments der ATP-Serie (fünf Turniersiege 2017) bleibt.
Dabei hatte er zum ersten Mal bei einem Grand-Slam-Turnier das Gefühl gehabt, um den Titel mitspielen zu können. „Es ist enttäuschend, denn für mich war das Feld offen im unteren Tableau“, haderte Zverev. Und was bleibt, ist der Blick voraus:
„Jetzt gilt es, weiter hart zu arbeiten und diesen Titel vielleicht in der Zukunft zu gewinnen.“
Von Niedergeschlagenheit war bei Sabine Lisicki nach der 7:6 (7:4), 3:6, 0:6-Niederlage in der ersten Runde der US Open gegen Zheng Shuai (Nr. 27) wenig zu sehen. Vielmehr freut sich die einstige Wimbledonfinalistin auf die anstehenden Turniere in China und Japan. „Ich will spielen, spielen, spielen – ich brauche das jetzt“, so die 27-Jährige mit Blick auf „den zweiten Teil meiner Karriere“, wie sie es nennt. Eine hartnäckige Schulterverletzung im Schlagarm hatte dafür gesorgt, dass Lisicki knapp acht Monate ausgefallen war. (SID)