Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Mit Ausdauer nach Berlin
Die Direktkandidaten zur Bundestagswahl im Porträt – Heute: Axel Müller, CDU
WEINGARTEN - Vom Amtshaus in Weingarten bis zum Reichstag in Berlin sind es rund 760 Kilometer – mit dem Fahrrad. Für Axel Müller, der bei den Bundestagswahlen als Direktkandidat im Landkreis Ravensburg für die CDU antritt, eigentlich kein Problem. Bereits im Jahr 2006 ist der leidenschaftliche Rennradfahrer diese Strecke in sechs Tagen – inklusive Ruhetag – geradelt. Doch für eine Wiederholung bleibt aktuell keine Zeit. Intensiv und umfassend wie kein anderer Kandidat betreibt der 54-Jährige Wahlkampf, damit er die Gemeinderatssitzungen in Weingarten gegen Bundestagssitzungen in Berlin tauschen kann.
100 Termine in weniger als 60 Tagen hat sich Müller aufgeladen, um mit den Bürgern ins Gespräch zu kommen. „Der Kandidat muss bekannt sein. Die Menschen müssen wissen, wer auf dem Wahlzettel steht“, sagt Müller, der in Esslingen bei Stuttgart geboren und in Nürtingen aufgewachsen ist. In der Region ist er kein Unbekannter. Denn bereits im Jahr 2013 wollte der Jurist in den Bundestag, scheiterte in der parteininternen Vorauswahl und in einem „schwierigen Wahlkampf “aber an dem mittlerweile verstorbenen Andreas Schockenhoff. Rückblickend sagt Müller: „Er war der Bessere.“
Auch aus dieser Erfahrung hat Axel Müller gelernt, bezeichnet er sich selbst doch als „modernen Konservativen“. Man müsse die Tradition bewahren, aber offen für Neues sein. „Stillstand hat noch keiner Gesellschaft gutgetan“, sagt der 54-Jährige und nennt die Schlagwörter Digitalisierung, Mobilität und Umwelt. „Das ist der Urgedanke der Schöpfung: die Welt zu bewahren. In diesem Punkt sind sich CDU und Grüne nicht so unähnlich“, sagt Müller, der sich, angesprochen auf eine mögliche schwarz-grüne Koalition im Bund, nicht festlegen will. Man müsse offen sein und mit allen Parteien sprechen, die dem demokratischen Spektrum entsprechen.
Als Volkspartei falle der CDU dabei eine besondere Verantwortung zu. Man müsse alle gesellschaftlichen Gruppen ansprechen. Der Vorsitzende Richter am Landgericht Ravensburg sieht sich dabei selbst in der Rolle des Vermittlers. „Demokratie kann nur in einem Rechtsstaat stattfinden, und der Rechtsstaat funktioniert nur in der Demokratie“, sagt der Jurist und Politiker. Ganz eng verknüpft mit diesen Tätigkeiten sieht Müller bei sich selbst die Eigenschaften der Geradlinigkeit und Verlässlichkeit. Offensiv wirbt er damit bei den Wählern. Doch hat er sich durch seine Arbeit auch den Spitznamen „Richter Gnadenlos“erworben. „Ich schmunzele darüber“, sagt er. „Ich weiß, dass ich das Recht konsequent anwende. Es gibt aber mindestens vier bis fünf weitere, die genauso konsequent sind.“
Müller schätzt Heimatgefühl
Daher würde er sich selbst nicht als gnadenlos, sondern konsequent bezeichnen – in beinahe allen Bereichen seines Lebens. So auch in Sachen Verbundenheit mit der Region. Axel Müller schätzt vor allem die Bräuche, die ein Heimatgefühl schaffen. Daher reitet er auch beim Blutritt mit, ist Vorstand im Musikverein und Mitglied bei der Plätzlerzunft Weingarten. Auch dem Erhalt des schwäbischen Dialekts und der Begrüßung „Grüß Gott“hat er sich in Vereinen verschrieben. „Es ist die Vertrautheit mit den Menschen, der Kultur, der Sprache. Es ist das Gefühl: Hier gehöre ich her“, sagt er.
Ein etwas anderes Geborgenheitsgefühl erlangt der Junggeselle in der heimischen Garage. Drei alte Alpha Romeo stehen dort. Nach manch einer turbulenten Gemeinderatssitzung habe er noch stundenlang daran geschraubt. Seine Leidenschaft für Oldtimer habe sich schon in jungen Jahren entwickelt, als er aus dem Kindergarten ausbüxte, um lieber in die nahe liegende Werkstatt zu verschwinden. „Diesen Traum habe ich mir bewahrt und nach und nach erfüllt“, sagt er. Für die drei Oldtimer, zwei weiße und ein roter, bleibt derzeit aber keine Zeit. Beruf und Wahlkampf stehen über allem.
Daher kommt auch das Rennradfahren aktuell viel zu kurz. Und auch wenn sich das nach einer erfolgreichen Wahl wohl nicht wirklich ändern würde, so steht für Müller jetzt schon fest: Die 760 Kilometer von Weingarten nach Berlin würde er gerne noch einmal fahren – allerdings nicht direkt zu seiner ersten Bundestagssitzung. „Dieses Jahr würde ich es mir nicht zutrauen“, sagt er lachend. „Da bin ich nicht fit genug.“