Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Grüne wollen Fleisch besser kennzeichnen
Art der Tierhaltung soll für Verbaucher erkennbar sein – CDU lehnt Pläne ab
STUTTGART - Die Grünen fordern, für Fleisch eine deutschlandweit verbindliche Kennzeichnung einzuführen. Sie soll analog zu jenem System funktionieren, mit dem Eier ausgezeichnet werden. Die CDU warnt vor einem Bürokratiemonster und fürchtet um kleine Betriebe. Der Bauernverband ist auch dagegen.
Wer heute Eier kauft, kann sich auf eines verlassen: Eine Kombination aus Zahlen und Buchstaben zeigt, aus welchem Bundesland ein Ei kommt und wie die Hennen gehalten werden. Die 08 steht für BadenWürttemberg, die Ziffer 0 zeigt biologische Haltung an. Die 1 steht für Freiland, die 2 für Boden- und die 3 für Käfighaltung. Die Vorschriften gelten EU-weit, Bauern und Händler müssen sich daran halten.
Eierkennzeichnung als Vorbild
„Das ist ein voller Erfolg. Die Menge der Eier aus Bio- und Freilandhaltung ist stark gestiegen“, sagt Martin Hahn, Agrarexperte der Grünen aus Überlingen. Ein wichtiger Grund sei, dass das System einfach ist. Außerdem ist es gesetzlich vorgeschrieben. Deswegen verlassen sich Verbraucher auf das, was auf den Eiern steht. Die Hühnerzüchter selbst hätten laut Hahn daher die Chance, sich an verbindlichen Kriterien zu orientieren und damit zu werben. Kunden seien im Gegenzug bereit, mehr für verlässliche Qualität zu zahlen, die Bauern erhielten so bessere Preise.
Doch schon an dieser Argumentation entzündet sich Kritik. Marko Eberle vom Landesbauernverband hält sie für nicht schlüssig. Denn seit 2016 ist die Käfighaltung von Hühnern in Deutschland verboten. „Es war nicht die Kennzeichnung, sondern das Verbot, das den Umschwung gebracht hat“, sagt Eberle. Bevor der Handel die KäfighaltungsEier aus den Regalen nahm, hätten Kunden durchaus noch solche Eier gekauft.
Alle Produkte auszeichnen
Die Grünen sehen das Eier-System dagegen als Vorbild und wollen beim Fleisch ebenfalls so verfahren. Ob Filet beim Metzger, Wurst oder andere Produkte der Schlachtung – alle sollen gekennzeichnet werden. Dabei stünde die 3 für Betriebe, die die gesetzlichen Mindestanforderungen des Tierschutzes erfüllen. Bei der 2 hätten Tiere mehr Platz als vorgeschrieben und artgerechtere Lebensbedingungen. Wer sein Fleisch mit 1 auszeichnen will, müsste seinen Tiere Auslauf gewähren. Die 0 stünde für Öko-Höfe, die nach EU-Bio-Standard oder höher wirtschaften.
Dem Landesbauernverband ist diese Abstufung zu ungenau. „Sie widerspricht dem heutigen Forschungsstand“, sagt Referent Eberle. Es gebe viele sinnvolle Formen der Haltung, ein grobes Raster sage wenig aus. Es sei nicht gesagt, dass ein Schwein mit Auslauf besser lebe als eines ohne. Das hänge von vielen Faktoren ab.
Das Land kann an der geltenden Rechtslage allein nichts ändern. Dazu braucht es ein Bundesgesetz. Sollten die Grünen an einer künftigen Bundesregierung beteiligt sein, wollen sie sich dort für die Kennzeichnungspflicht einsetzen. Außerdem vorstellbar: eine gemeinsame Gesetzesinitiative mit der CDU im Bundesrat. „Wir haben die Kennzeichnungspflicht in den Koalitionsvertrag geschrieben. Wir werden jetzt auf die CDU und das Landwirtschaftsministerium zugehen und die Details besprechen. Dem sehe ich gelassen entgegen“, sagt TierschutzExpertin Thekla Walker.
Doch die CDU reagiert weniger gelassen. „Wir sehen das skeptisch. Das vorgeschlagene System erfordert einen hohen Aufwand, den Landwirte, Metzger und Händler zahlen sollen“, sagt Patrick Rapp, CDU-Experte für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz. Fachleute würden vor einer Einführung warnen – die praktische Umsetzung sei kaum händelbar. „Natürlich wäre es wünschenswert, wenn wir Fleisch analog zu Eiern kennzeichnen könnten. Aber es ist nicht leistbar“, glaubt Rapp. Ein Tier werde in so viele Teile zerlegt, dass es nahezu unmöglich sei, alle Produkte zu kennzeichnen.
Hoher Aufwand für Erzeuger
Genau so sieht das der Landesbauernverband. „Das ist ein Riesenaufwand an Verwaltung und Logistik. Das belastet gerade unsere kleinen und mittelständischen Betriebe. Das geht gar nicht“, sagt Bauernvertreter Eberle. Eine freiwillige Kennzeichnungspflicht sei im Sinne der Landwirte, eine Pflicht nehme ihnen aber die nötige Flexibilität. Es gebe bereits gute Label wie etwa das der Initiative Tierwohl. Es wird an freiwillig teilnehmende Landwirte vergeben. Der Handel zahlt ihnen Geld, wenn sie Standards zur Tierhaltung erfüllen.
Im Landwirtschaftsministerium will man die Vorschläge der grünen Fraktion gründlich prüfen. „Wir fühlen uns natürlich an den Koalitionsvertrag gebunden, aber wir sehen Diskussionsbedarf “, sagt ein Sprecherin von Minister Peter Hauk (CDU). Man sei strikt gegen eine Kennzeichnungspflicht für alle Fleischprodukte. Das sei schlicht nicht praktikabel.