Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Seoul befürchtet weiteren Raketentest Nordkoreas
US-Präsident Donald Trump setzt den südkoreanischen Bündnispartner unter Druck
NEW YORK/BERN - Die USA wollen nach Nordkoreas jüngstem Atomtest in nur einer Woche verschärfte UNSanktionen gegen die Regierung in Pjöngjang durchdrücken. Zum Abschluss einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates sagte Washingtons UN-Botschafterin Nikki Haley am Montag in New York, sie werde dem Rat einen Katalog mit härteren Maßnahmen vorlegen. Die Abstimmung über den Resolutionsentwurf solle kommenden Montag erfolgen. Angesichts möglicher weiterer Raketenstarts Nordkoreas sei höchste Eile geboten.
Bundeskanzlerin Angela Merkel warb in einem Telefonat mit US-Präsident Donald Trump für eine friedliche Lösung. Zugleich sagte sie laut Regierungssprecher Steffen Seibert zu, sich in der EU für schärfere Sanktionen gegen Nordkorea einzusetzen. Unterdessen bereitet Nordkorea, einen Tag nach dem von Pjöngjang verkündeten Test einer Wasserstoffbombe, offenbar den Start einer weiteren Interkontinentalrakete vor. Der südkoreanische Geheimdienst informierte den Verteidigungsausschuss des Seouler Parlaments am Montag über entsprechende Erkenntnisse. Demnach soll der Test um den nordkoreanischen Nationalfeiertag und das Gründungsjubiläum der kommunistischen Partei am 9. und 10. September erfolgen.
Nach wie vor spekulieren Experten in der Region, wie erfolgreich der von Pjöngjang bejubelte Bombentest vom Sonntag wirklich war. Die Erderschütterungen in einem Gebirge, rund 100 Kilometer von der chinesischen Grenze entfernt, legen den Verdacht einer solchen Explosion nahe. Nach Einschätzung der japanischen Regierung könnte die Bombe eine Sprengkraft von bis zu 70 Kilotonnen gehabt haben. Das wäre viermal so viel wie bei der Atombombe auf Hiroshima. Beweisen ließe sich dies aber nur durch radioaktive Partikel in der Atmosphäre. China vermeldete, dass von 14 Messstationen entlang der Grenze zu Nordkorea keinerlei atomare Teilchen registriert wurden.
Unmittelbar nach Bekanntgabe des Bombentests reagierte Südkorea mit einem simulierten Angriff auf die Atomanlagen des Kim-Regimes. Die Militärführung gab bekannt, bei dieser Gefechtsübung an der Ostküste seien ballistische Boden-Boden-Raketen und Boden-Luft-Raketen abgefeuert worden, die in exakt derselben Entfernung wie die realen Ziele eingeschlagen seien. Zudem wurden F-15-Kampfjets zur Bekämpfung simulierter Ziele eingesetzt.
Militärisch-politische Wende
Südkoreas auf Versöhnung mit dem Norden bedachter links-liberaler Staatschef Moon Jae-in gerät immer mehr unter Druck, die militärisch-politische Wende einzuleiten. Moon, dessen Gesprächsangebote bislang von Diktator Kim Jong-un brüsk abgelehnt wurden, hat lange gezaudert, bis er der verstärkten Stationierung von US-Abfangraketen in Südkorea zustimmte. Am Montag fiel nun die Entscheidung, weitere vier dieser THAAD-Batterien aufzustellen.
Die USA drängen Südkorea inzwischen auch mit ökonomischen Mitteln, auf einen Angriffsmodus umzuschwenken. Wie amerikanische Medien berichten, erwägt Präsident Donald Trump, den Freihandelsvertrag mit Seoul, Korus, aufzukündigen. Der Chef des Weißen Hauses könnte diese Entscheidung ohne vorherige Zustimmung des Kongresses treffen. Die Kündigung würde sechs Monate nach Verkündung in Kraft treten.
Staatschef Moon kündigte derweil an, er spreche mit den USA als Verbündeten über die schnelle Entsendung der „stärksten strategischen Potenziale des amerikanischen Militärs“. Beobachter in Fernost gehen davon aus, dass Südkorea auf einen neuen Kurs eingeschwenkt ist.