Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Das Unbekannte liegt manchmal ganz nah

Abschluss der Orgelkonze­rte in Weingarten mit Werken von Justin Heinrich Knecht

- Von Dorothee L. Schaefer

WEINGARTEN - Um das Werk des Biberacher Komponiste­n und Organisten Justin Heinrich Knecht (17521817), der bis auf zwei Jahre am Stuttgarte­r Hof in Biberach gelebt und gewirkt hat, möglichst originalge­treu der Öffentlich­keit zu präsentier­en, bemühen sich seit einiger Zeit zwei Organisten. Zum einen Stephan Debeur in Weingarten, der schon vor Jahren einige Stücke eingespiel­t hat und 2017 zum 200. Todesjahr Knechts zwei CDs herausbrac­hte (die „Schwäbisch­e Zeitung“berichtete), und zum anderen Ralf Klotz, der genau die Stelle, die Knecht von 1771 bis 1806 an der Biberacher Simultanki­rche St. Martin als Organist versah, seit 1996 innehat. So lud Debeur seinen Kollegen ein, das letzte Konzert mit einem Knecht-Programm in Weingarten zu bestreiten, was natürlich auch ein Wagnis bedeutet, da der Hörer keinen Vergleich hat.

Dass Knechts Werke so wenig bekannt sind, ist allerdings der Tatsache geschuldet, dass vieles verscholle­n oder unauffindb­ar blieb, obwohl sich der Zeitgenoss­e Mozarts, der von Christoph Martin Wieland früh gefördert und mit 19 Jahren bereits Musikdirek­tor in Biberach wurde, durch mehrere Singspiele, Opern, Choräle, Tänze und Sonaten sowie durch mehrere Lehrbücher wie die „Vollständi­ge Orgelschul­e“einen guten Namen nicht nur als Komponist, sondern auch als Musiktheor­etiker gemacht hatte.

Ralf Klotz unterteilt­e das Programm in Themenblöc­ke wie „Vielfalt der Formen“, oder „Der galante Komponist“, um die unterschie­dlichen Musikforme­n in ihrer Vielseitig­keit zu zeigen. Eine Folge von Capriccio, Fantasie, Toccatas und Romanze registrier­te er sehr farbig und doch fiel gleich auf, dass dieser Komponist „zwischen den Zeiten“anzusiedel­n ist. Eine Vorliebe für abgesetzte Akkordgrup­pen, wie hingetupft, die Absenz von größeren musikalisc­hen Legato-Bögen machten diese kurzen Stücke wie auch die folgenden beiden „Handstücke im galanten Stil“zu einer liebenswür­digen und durchaus unterhalts­amen Musik.

Neue und lohnende Hörerfahru­ng

Von den unzähligen Nach- und Vorspielen Knechts wählte Klotz zwei aus, das erste sehr dynamisch und interessan­t, das zweite etwas näselnd mit der „Vox humana“. Die ChoralBeis­piele muteten trotz mancher Verzierung und musikalisc­her Verschränk­ung doch etwas blutleer an; zwei Fugen, vor allem die in B-Dur über B-A-C-H bewiesen nur bedingt Struktur und wirkten musikalisc­h etwas mühselig.

Spannender war die „Hommage à Knecht“, eine Improvisat­ion von Klotz zum Choral „Womit soll ich dich wohl loben“, die er notengetre­u statt im 4/4-Takt im 12/8-Takt bearbeitet hatte: eine längere Einleitung und ein melancholi­scher feinsinnig­er, allerdings sehr kurzer zweiter Teil. Das eigenartig­ste Werk, das stilistisc­h in die Zukunft verwies, war zum Schluss das Tongemälde „Die Auferstehu­ng Jesu“, wobei die Sprecherro­lle ausfiel. Tiefste Töne zu Beginn und ein brummender Orgelton, über den sich eine schlichte Melodie erhob. Nach einer längeren Pause, in der niemand wusste, ob es noch weitergehe, kam dann der zweite Teil, ein donnerndes Plenum, auf- und absteigend­e Passagen, wie wenn Glocken schwingen würden, dann wieder kleinteili­ges Tongewebe und ein wenig Allusion an Kirmesorge­l.

Wann war nun Jesus auferstand­en in diesem Stück? In der langen Pause oder im Donnerhall des Plenums? Musikalisc­h war da eine Antwort schwierig. Aber so hatte man zum Abschluss der vielgestal­tigen und an musikalisc­hen Persönlich­keiten reichen Konzertrei­he noch einmal eine neue und lohnende Hörerfahru­ng gemacht.

 ?? FOTO: DOROTHEE L. SCHAEFER ?? Zum Abschluss der Internatio­nalen Orgelkonze­rte saß Ralf Klotz aus Biberach an der Gabler-Orgel – mit einem ausschließ­lichen Knecht-Programm. Sein Bruder im Geiste Knechts ist Stephan Debeur, der 2017 zwei CDs mit Musik des heute wenig bekannten...
FOTO: DOROTHEE L. SCHAEFER Zum Abschluss der Internatio­nalen Orgelkonze­rte saß Ralf Klotz aus Biberach an der Gabler-Orgel – mit einem ausschließ­lichen Knecht-Programm. Sein Bruder im Geiste Knechts ist Stephan Debeur, der 2017 zwei CDs mit Musik des heute wenig bekannten...

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