Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Intelligentes Gepäck
In den neuen Koffern steckt jede Menge Digitaltechnik
BERLIN (dpa) - Öffnen per Fingerabdruck, GPS-Tracking, mobile Powerbank: Seit der Koffer das Rollen gelernt hat, gab es beim Reisegepäck kaum Innovationen. Dafür können neuartige Trolleys nun umso mehr – sogar selbst fahren oder sich wiegen.
Als der viel reisende Unternehmer Kevin O’Donnell aus Chicago seine Kinder mal wieder auf dem Rollkoffer hinter sich her zog, kam ihm die Idee: „Warum eigentlich können wir auf unserem Gepäck nicht selber fahren?“Er setzte sie um und konstruierte zusammen mit einem Bekannten die bis zu 13 Stundenkilometer schnelle Modobag.
In der Gepäckbranche waren große Weiterentwicklungen lange Zeit Mangelware. Doch jetzt erobert Smart Luggage die Lounges und Terminals – Gepäckstücke mit erweitertem Funktionsumfang dank Digitaltechnik. Das Spektrum an Fähigkeiten reicht von der Lademöglichkeit fürs Handy über GPS-Tracking bei Verlust bis zum Entfernungsalarm, den zum Beispiel das Berliner Startup Horizn Studios für seinen Cabin Trolley als Extra anbietet.
Das US-Unternehmen BlueSmart hat einen Trolley entwickelt, der ab einem gewissen Abstand zum Besitzer sich selbst verschließt. Im Griff ist eine Zugwaage eingebaut. Die Powerbank zum Laden elektronischer Geräte an USB-Ports kann anders als beim Konkurrenzprodukt von Horizn Studios allerdings nicht entnommen werden. Will man seinen Trolley als Aufgabegepäck abgeben, geht das laut den Sicherheitsbestimmungen vieler Airlines nicht.
Vor allem US-Firmen überschlagen sich bei Gepäckinnovationen im Bereich Internet. Der vernetzte Koffer der Marke Planet Traveler aus Miami namens Space Case 1 lässt sich per Fingerabdruck biometrisch öffnen und schließen und hat zudem einen Bluetooth-Lautsprecher für Musikwiedergabe oder Telefonate eingebaut. Auch die einschlägigen Hersteller sind dran am Thema Digitalisierung. Der Clou des Reisekoffers Geotrakr von Samsonite ist eine Ortungsfunktion. Und Delsey plant für Herbst 2017 den Marktstart von Pluggage. Dieser Reisekoffer hat viele Funktionen integriert. Öffnet man ihn, geht eine Innenraumbeleuchtung an, und sobald er auf dem Gepäckband unterwegs ist, meldet sich die Delsey-App. Der deutsche Traditionshersteller Rimowa hält sich bei der Funktionsfülle zurück und bietet bei seinem Gepäck derzeit lediglich den Electronic-Tag, mit dem der Koffer von zu Hause aus per Airline-App eingecheckt werden kann.
Ulrich Reinhardt von der BATStiftung für Zukunftsfragen geht davon aus, dass viele Menschen sich wegen des Bling-Bling-Faktors intelligentes Gepäck zwar kaufen, die Funktionen aber kaum nutzen werden. „Man probiert vielleicht dreimal aus, wo sich der Koffer genau befindet.“Danach werde der Reiz wohl nachlassen.