Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Ken Follett:
Historische Konflikte faszinieren ihn – Ken Follett über seinen neuen Roman „Das Fundament der Ewigkeit“
Der Bestsellerautor über sein neues Werk „Das Fundament der Ewigkeit“.
Sein internationaler Durchbruch war der Mittelalterroman „Die Säulen der Erde“. Jetzt, 27 Jahre später, legt Ken Follett einen Nachfolger für den Bestseller vor: „Das Fundament der Ewigkeit“. Hendrik Breuer hat den britischen Erfolgsautor im schottischen Loch Leven, einem der Schauplätze des Werks, getroffen und mit ihm über seinen neuen KingsbridgeRoman gesprochen.
Herr Follett, „Das Fundament der Ewigkeit“ist nach „Die Säulen der Erde“und „Die Tore der Welt“das dritte Buch der Kingsbridge-Reihe. Hat es Spaß gemacht, den fiktiven Ort mal wieder zu „besuchen“?
Und wie! Wir haben ja alle mitverfolgt, wie Kingsbridge von der kleinen anglonormannischen Siedlung zu einer prosperierenden mittelalterlichen Stadt angewachsen ist. Jetzt sind wir kurz vor der englischen Renaissance. Kingsbridge ist ein MiniEngland.
Die Geschichte beginnt im Jahr 1558. Worum geht es diesmal?
Ganz grob gesagt: Um Freiheit und um Menschen, die für ihre Freiheit kämpfen. Dass wir in Freiheit leben, ist alles andere als normal. Diktaturen sind normal, die meisten Menschen leben in autokratischen Systemen. Heutzutage und in der Geschichte sowieso.
Und was bedeutet das für „Das Fundament der Ewigkeit“?
Mich faszinieren historische Epochen, in denen verschiedene Menschen für unterschiedliche Ideen von Freiheit kämpfen und sich dann eine Gruppe durchsetzt. Das macht mich neugierig und ich frage mich: Wie haben sich diese Menschen ihre Freiheit erkämpft? Dem gehe ich nach und platziere meine Figuren in diesen Epochen direkt neben historischen Persönlichkeiten, sodass sich alles vermischt und wir miterleben können, wie sich Geschichte entfaltet.
Worum ging’s denn im 16. Jahrhundert in England?
Nicht bloß in England, in ganz Europa loderten religiöse Konflikte auf. Zu dieser Zeit hat jeder halbwegs vernünftige Mensch gemeint, dass es nur eine wahre Religion geben könne und dass Nichtgläubige unbedingt verbrannt werden müssten. Da waren sich alle einig. Nur welche Religion die wahre ist, darüber herrschte Uneinigkeit. So wurden mal die einen und mal die anderen verbrannt.
Wer kämpfte in dieser Zeit für Freiheit?
Interessanterweise gab es drei mächtige Frauen, die das nicht glaubten und sich für religiöse Toleranz einsetzten, auch wenn derlei Bemühungen nicht immer von Erfolg gekrönt waren. Für mich sind das die drei interessantesten historischen Persönlichkeiten dieser Epoche. Erstens Elisabeth I., die Königin von England, zweitens Caterina de’ Medici, sie war Königin von Frankreich und hat nach dem Tod ihres Gatten noch drei ihrer Söhne auf dem französischen Thron erlebt, und drittens Margarete von Parma, Statthalterin des spanischen Königs in den Niederlanden. Ob es Zufall war, dass es sich um drei Frauen handelt, weiß ich leider nicht.
Wer sind die Gegenspieler?
Elisabeth besteigt 1558 den Thron und mit ihr wird England protestantisch. Dadurch wird sie Staatsfeindin Nummer 1 in Europa. Die drei mächtigsten Männer der Zeit, die Könige von Spanien und Frankreich sowie der Papst, wollen sie umbringen und die katholische Maria Stuart installieren. Natürlich waren sie nicht alleine, viele katholische Engländer, auch viele Adelige, unterstützten dieses Treiben. Um sich zu schützen, gründete Elisabeth den ersten Geheimdienst der Geschichte, geleitet von Sir Francis Walsingham, der viele Attentate auf die Monarchin vereitelte.
Das alles scheint sehr weit weg zu sein vom beschaulichen Kingsbridge?
Meine fiktionalen Helden stellen die Verbindung nach Kingsbridge dar. Ned Willard ist dort geboren und wird leitender Mitarbeiter von Walsingham und Vertrauter der Königin. Wenn Walsingham ein früher Q ist, ist Ned Willard ein früher James Bond, der England, Frankreich und die Niederlande bereist. Sylvie Palot ist Pariser Protestantin, kommt aber nach Kingsbridge. Ein dritter Held ist der gebürtige Afrikaner Ebrima Dabo, der ebenfalls viel in Europa herumkommt. So entfaltet sich die Geschichte und vermischt reale mit fiktionalen Charakteren.
Ihre umfangreichen Recherchen sind legendär. Wie sind Sie dieses Mal vorgegangen?
Insgesamt stecken über drei Jahre Arbeit in dem Buch, davon acht Monate Recherche. Vor allem lese ich viele Fachbücher, diesmal waren es 228, um genau zu sein. Dazu habe ich mir Häuser und Schlösser und in Museen Alltagsgegenstände dieser Zeit angesehen, etwa Kleidungsstücke und Porträts. Außerdem habe ich Loch Leven besucht, wo Maria Stuart eingesperrt war, sowie die damals reichste Stadt Europas, Antwerpen, Sevilla und Paris, von wo aus viele Komplotte gegen Elisabeth geschmiedet wurden.
Sie arbeiten zudem immer mit Historikern zusammen, wie helfen diese Ihnen?
Sie führen mich durch die Städte, wenn ich sie besuche, und geben mir Tipps, was ich lesen soll. Außerdem lasse ich jedes Kapitel noch einmal von einem Experten Korrektur lesen. So will ich faktische Fehler vermeiden. Einmal hat mich beispielsweise ein spanischer Historiker darauf aufmerksam gemacht, dass einige Vornamen, die ich verwendet hatte, zu dem Zeitpunkt in Spanien noch nicht verwendet wurden. Das habe ich dann geändert. Meine Leser sind Fachleute auf sehr vielen Gebieten
und sie erwarten von mir, dass meine Bücher historisch korrekt sind. Das ist übrigens auch mein Anspruch an mich selbst.
Sie sagten, sie hätten die eine oder andere Krise beim Schreiben dieses Buchs durchgemacht?
Nach zwei Jahren hatte ich gerade einmal 100 000 Wörter geschrieben. Wenn man einen Thriller schreibt, ist man damit fertig. Doch wenn man „Die Säulen der Erde“schreibt, ist das erst ein Viertel des Buchs. Das war herausfordernd. Als Schriftsteller kann man nicht einfach schneller schreiben, stattdessen muss man mehr Stunden arbeiten, also arbeitete ich von da an auch samstags und sonntags.
War „Die Säulen der Erde” eigentlich von Anfang an als Reihe angelegt?
Nein, von dem großen Erfolg waren wir ja doch alle überrascht. Wenn ich gewusst hätte, dass noch weitere Bücher folgen würden, hätte ich mir auch einen besseren Namen für die Stadt überlegt. Kingsbridge, also die Brücke des Königs, ist leider ziemlich lahm. Außerdem gibt es wirklich einige Orte, die so heißen.
Am Ende des Buchs besteigt eine Person die „Mayflower”, das berühmte Schiff, das die ersten Pilgerväter nach Nordamerika gebracht hat. Geht es mit der Kingsbridge-Serie jetzt bis nach Amerika?
Ein Journalist schlug vor, das nächste Buch solle in (einem fiktiven) Kingsbridge, Massachusetts, angesiedelt sein. Soweit hatte ich noch gar nicht gedacht. Ich habe im Moment auch keine konkreten Pläne für ein weiteres Kingsbridge-Buch, denke aber schon, dass es in Zukunft noch einmal eines geben wird.