Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Wirtschaftspsychologie nach der Gute-Nacht-Geschichte
Martina Biegger bereitet sich mit einem BWL-Fernstudium auf die Übernahme des elterlichen Betriebs vor – neben Beruf und Familie
Wenn Clara während Mamas Gute-NachtGeschichte irgendwann mal die Augen zufielen, dann hätte das gute Gründe. Kann sie es nach einem Vormittag im Kindergarten doch immer kaum erwarten, mit dem Papa auf dem großen Traktor in die Felder zu fahren. Ohne ihre Hilfe, findet sie, würde er die ganze Arbeit doch niemals schaffen. Immerhin ist sie jetzt fast drei Jahre alt.
Auf Martina Biegger wartet, wenn ihr Töchterchen schläft, nicht selten noch ein stattliches Abendpensum. BusinessEnglisch zum Beispiel. Oder Wirtschaftspsychologie. Doch es gibt auch Phasen, in denen sie es langsamer angehen lässt. Eine Musterstudentin ist sie nicht. Jedenfalls behauptet sie das. Obgleich es für Leute, die ihre Noten kennen und wissen, dass sie in 24 Prüfungen bisher noch kein einziges Mal einen zweiten Anlauf brauchte, schon sehr nach Understatement klingt. Zumindest hat sie insofern recht, als an der „SRH Riedlingen. The Mobile University“, wo sie sich derzeit im Fernstudium zum Bachelor in Betriebswirtschaft und Management qualifiziert, so etwas wie eine mustergültige Studienlaufbahn gar nicht vorgesehen ist. Gerade das hat sie ja überzeugt, sagt Martina Biegger: Man kann hier seinen Weg zum angestrebten Studienziel flexibel und entsprechend seiner persönlichen Lebensumstände ganz individuell organisieren und gestalten.
Auch wenn sich das Konzept etwas sperrig liest, in der Praxis scheint es zu funktionieren. Und weil die junge Mutter wegen Söhnchen Johannes Josef seit Februar wieder in Elternzeit ist, geht es in ihrem sonst streng durchgetakteten Alltag vergleichsweise richtig entspannt zu. Sie fährt jetzt nicht wie sonst viermal die Woche frühmorgens um halb sechs von Meckenbeuren nach Lindenberg, wo sie bei Liebherr-Aerospace seit sechs Jahren als Maschinenbauingenieurin angestellt ist. Für ihre Arbeit auf dem Obsthof ihrer Eltern, wo sie mit ihrer jungen Familie wohnt und mit anpackt, gilt die Elternzeit in dem Sinne natürlich nicht. Auch nicht für ihr BWL-Studium mit Schwerpunkt Unternehmensführung. Aber Letzteres betrachtet sie „eh als Hobby“. Was gar nicht schwer ist, weil ihr die Sache ja Spaß macht.
Eine Herzensangelegenheit
Der Hof mit allem was dazu gehört, die Obstkulturen, die Brennerei, der Hofladen, die Hopfenstube und natürlich die Tiere, war ihr von Klein auf eine Herzensangelegenheit. Jetzt ist sie 30 geworden, und wenn alles so kommt, wie geplant, wird sie den Betrieb in zwei Jahren übernehmen. Verpflichtet gefühlt hat sie sich nicht dazu. Ihre Eltern hätten sie auch niemals gedrängt. Ihre Entscheidung, sagt Martina Biegger, hat viel mit ihrem Stolz auf die lange Familientradition zu tun. Sie selbst ist die achte Generation. Besonders glücklich macht sie, dass es hier nun mit ihrem kleinen Sohn auch wieder einen Josef gibt – wie in allen Generationen zuvor.
Freilich ist sie zugleich ein rationaler, strategisch denkender Mensch. Nach dem Abitur hat sie sich mit dem Maschinenbaustudium an der Dualen Hochschule Ravensburg erst einmal eine solide Grundlage geschaffen. Wohl wissend, dass sie als Selbstständige in der wetterabhängigen Landwirtschaft auch ein hohes Risiko trägt. „Mit einem Maschinenbaustudium kommst du immer unter“, hat sie sich gedacht, aber selbstverständlich wollte sie sich auch weiterentwickeln. Nach einem Jahr bei Metzeler in Lindau, wo sie während ihres dualen Studiums am Campus Friedrichshafen die praktische Ausbildung absolviert hatte, ist sie zu Liebherr gewechselt. Zu ihrer Befriedigung war es eine Phase der besonderen Herausforderungen wie Neubau, Umbau, Umzug und Umstellung der Produktion. Als strategische Projektkoordinatorin konnte sie sich und anderen hier beweisen, dass sie auch ein ganz großes Rad zu drehen vermag.
Nutzwertiges Wissen
Dass sie im Fernstudium an der SRH Riedlingen jetzt noch einmal einen Bachelor macht statt einen Master anzustreben, erklärt Martina Biegger so: „Für einen Titel kann ich mir in der Selbstständigkeit nichts kaufen. Was ich brauche, ist das Wissen.“Jedenfalls hat sie schnell gemerkt, dass die zwei Wochenstunden BWL aus dem Maschinenbaustudium bei Weitem nicht ausreichen, um einen Hof wie den ihren auf lange Sicht umzutreiben. Auf das fachliche Wissen und die Kompentenzen ihres Mannes kann sie jetzt schon bauen. Der gelernte Schreiner hat inzwischen noch eine Ausbildung zum Gärtner in der Fachrichtung Obst- und Hopfenbau draufgesattelt.
Wenn zwei beruflich wie privat so ein gutes Team bilden wie Martina und Daniel, lässt sich ein Studium nebenher natürlich umso leichter handeln. Martina weiß das zu schätzen. Dass sie schon um sechs mit der Arbeit in Lindenberg beginnen kann, während ihr Mann zwei Stunden später Clara in die Kita bringt und sie mittags auch wieder abholt. In der Regel ist die Mama pünktlich zurück, wenn ihr Töchterchen den Mittagsschlaf beendet hat.
Vorlesung im Livestream
An ihren „arbeitsfreien“Tagen, also wenn sie sich nicht bei Liebherr um strategische Projektplanungen kümmert, nutzt Martina Biegger oft auch die Zeit zwischen halb sechs und acht zum Studium. Das Praktische sei ja, dass ihr alles, was sie dazu braucht, jederzeit zur Verfügung steht. Allerdings gibt sie zu: Egal ob gedruckter Studienbrief oder Datei auf dem iPad, am besten präge sie sich Inhalte immer noch ein, indem sie das Wichtigste herausschreibe, eigenhändig und auf Papier. Sie war schon immer der Typ, der am effektivsten alleine arbeitet. Trotzdem nutzt sie die interaktiven Angebote des Online-Campus. Sich überall und jederzeit, auch mitten in der Nacht, die Vorlesung ihrer Wahl anhören zu können, das möchte sie nicht mehr missen. Lohnender noch findet sie die Livestreams, weil sie hier auch Zwischenfragen einbringen kann. Und natürlich gibt es nach wie vor die echten Präsenzveranstaltungen vor Ort in Riedlingen, wie übrigens in 16 weiteren Studienzentren der SRH in ganz Deutschland.
Ihre Prüfungen, die in fünf Fächern noch anstehen, darunter Eventmanagement, Wirtschaftsethik und BusinessEnglisch, könnte sie theoretisch fast überall auf der Welt ablegen. „Das ist in jedem Land möglich, wo es ein Goethe-Institut gibt.“Naturgemäß war das für Martina Biegger bisher keine Option. Dafür hat sie im letzten Modul eine 80-seitige Hausarbeit geschrieben, sie behandelte den „Businessplan eines Fünf-Sterne-Ferienwohnungsprojektes“in Bodenseenähe, und so schwer war es nicht, den Professor von ihrem Vorschlag zu überzeugen. Inzwischen hat sie den ersten Schritt in Richtung praktische Umsetzung getan und eine entsprechende Bauvoranfrage bei ihrer Gemeinde eingereicht. Wie gesagt, es ging ihr von Anfang an um den praktischen Nutzen des erworbenen Wissens, und da hat sie sich selber schon vor Abschluss des Studiums den Beweis erbracht: es funktioniert.
Trotzdem freut sich Martina Biegger schon darauf, wenn es voraussichtlich in einem halben Jahr mit ihrem Bachelor of Science so weit ist. Theoretisch könnte sie die sechs Semester ihres Studiengangs, für die sie einen auf die Dauer der Regelstudienzeit berechneten Festpreis von 378 Euro im Monat bezahlt, auch über sechs Jahre ziehen. Aber sie hat ja auch noch andere Hobbys. Posaune spielen im Musikverein zum Beispiel oder Skifahren. Worauf sie sich allerdings am meisten freut: Nach der GuteNacht-Geschichte für die Kinder mal wieder still für sich selber zu lesen – keine Fachliteratur, sondern ein richtig schönes Buch.