Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Munition für Erdogan
Deutschland erlaubt den Anhängern einer verbotenen Terrororganisation eine Kundgebung, die von der Polizei abgesichert wird – das passt exakt ins Bild vom doppelzüngigen Westen, das die türkische Regierung vor ihren Anhängern verbreitet. Es mag gute Gründe dafür geben, dass die PKK-nahe Kundgebung von Köln trotz verbotener Inhalte und Symbole nicht aufgelöst wurde. Die Polizei muss zwischen der Strafverfolgung und dem Risiko von Ausschreitungen abwägen. Doch das ändert nichts daran, dass Deutschland den Eindruck erweckt, dass sich antitürkische Gruppen ungestört auf den Straßen tummeln dürfen, während türkische Regierungspolitiker ein Auftrittsverbot erhalten. Präsident Erdogan wird dies zu nutzen wissen.
Ankara bestellte prompt den deutschen Botschafter ein. In regierungsnahen Medien ist vom „PKKFestival“die Rede, das von deutschen Behörden genehmigt worden sei. Angesichts der Spannungen zwischen beiden Ländern ist die Kundgebung von Köln für die türkische Regierung ein gefundenes Fressen.
Wenn demnächst auf internationaler Ebene wieder einmal der gemeinsame Kampf gegen den Terrorismus beschworen wird, dürfte die Türkei Köln als Beispiel dafür ins Feld führen, warum auf diesem Gebiet so wenig vorangeht. Dass Deutschland relativ lasch mit der verbotenen PKK umgeht, gibt selbst die Bundesregierung zu. Seit Jahren kann sie trotz Verbot in der Bundesrepublik und anderen EU-Staaten Gelder sammeln und Anhänger mobilisieren. Damit beschädigen die Europäer ihre Glaubwürdigkeit.
Aus türkischer Sicht nährt diese Toleranz zudem den Verdacht, dass die Europäer den Sturz der ErdoganRegierung anstreben. Wenn PKKSympathisanten ungestört aufmarschieren dürfen, erscheint selbst die Aufnahme von friedlichen türkischen Regierungsgegnern für die Türkei wie Hilfe für den nächsten Umsturzversuch. Heute stehen in Istanbul erneut 30 türkische Journalisten vor Gericht. Deutsche Kritik daran dürfte mit einem Schulterzucken aufgenommen werden.