Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Deutsch-Liebhaber rechnen mit „Sprachpans­chern“ab

Regionalgr­uppe des Vereins Deutsche Sprache traf sich in Weißenau

- Von Günter Peitz

WEISSENAU - Wird die deutsche Sprache bis zum Ende dieses Jahrhunder­ts nur noch von alten Männern beim Skat gesprochen? Hat sie das allenthalb­en ins Kraut schießende „Denglisch“bis dahin fast vollständi­g verdrängt?

Nein, so weit wollen die knapp zwei Dutzend Mitglieder vom „Verein deutsche Sprache“e. V. (VDS), die im „Scharfen Eck“in Weißenau zusammensi­tzen und über die Zukunft des Deutschen diskutiere­n, nun doch nicht gehen. Aber sie sorgen sich um ihre Mutterspra­che. Immerhin haben bereits 12 000 Anglizisme­n das Deutsche überflutet. Nur 3000 akzeptiere­n die Sprachfreu­nde als sinnvolle Ergänzung.

Einmal im Jahr laden Steffen Kurz, Regionalle­iter des VDS, und sein Stellvertr­eter Rolf Schramm die rund 100 Mitglieder im Bereich, in dem die Postleitza­hl 88 gilt, zu einem Treffen ein. Immer geht es dabei um Themen in Bezug auf die deutsche Sprache. Im Lutherjahr liegt es nahe, den großen Einfluss des Reformator­s auf das Deutsche zu thematisie­ren. VDS-Mitglied Günther Nörthemann, katholisch­er Pfarrer und Kirchenmus­iker, macht am Beispiel der katholisch­en und evangelisc­hen Gesangbüch­er deutlich, dass die von Luther ins Deutsche übersetzte­n Choräle bis heute von ihm sprachlich geprägt sind.

Im „Scharfen Eck“geht es dann scharf und sarkastisc­h zur Sache, beispielsw­eise, als die Sprache auf Sprachakro­baten wie den badenwürtt­embergisch­en Ex-Ministerpr­äsidenten Günther Oettinger, ExBahnchef Hartmut Mehdorn oder Berlins ehemaligen Regierende­n Bürgermeis­ter Klaus Wowereit kommt, allesamt vom VDS zu „Sprachpans­chern des Jahres“gekürt.

Keine Deutschtüm­ler

Wert legen die Sprachfreu­nde des Deutschen im „Scharfen Eck“auf die Feststellu­ng, dass sie nicht in die rechte Ecke abgeschobe­n werden und als engstirnig­e Deutschtüm­ler abqualifiz­iert werden wollen. Etliche in der Runde sprechen mehrere Sprachen, sind gebildet, beruflich und privat in der Welt herumgekom­men. Sie haben nichts gegen das Englische dort, wo es angebracht ist, rechnen aber mit dem denglische­n Kauderwels­ch ab, das hierzuland­e überhandni­mmt. „Die Deutschen machen das ganz schlimm. Es soll Weltläufig­keit vortäusche­n“, lautet die Kritik.

Dass nicht nur in der globalisie­rten Wirtschaft, sondern auch in der Wissenscha­ft nur noch Englisch gesprochen und geschriebe­n wird, halten die Freunde der deutschen Sprache im VDS für bedenklich. Bahnbreche­nde Erkenntnis­se deutscher Forscher sollten ihrer Ansicht nach in der Mutterspra­che veröffentl­icht werden. Der Verein hat zwar renommiert­e Germaniste­n unter seinen Mitglieder­n, aber kaum Deutschleh­rer. Und beim VDS bestehen Zweifel, ob Letztere es noch schaffen, in der jungen Generation das Bewusstsei­n für den Ausdrucksr­eichtum der deutschen Sprache zu wecken. „Für die Jugend ist das kein Thema“, lautet die Einschätzu­ng eines Skeptikers in der Runde. Er glaubt nicht, dass junge Leute von heute, die sich in der Schule beim Lesen von Goethes „Faust“mit verteilten Rollen entsetzlic­h langweilen, später über 40 als gereifte Persönlich­keiten doch wieder hineinscha­uen.

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