Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Mehr Steuereinnahmen, wenig Spielraum
Zusatzeinnahmen liegen bei 26,3 Milliarden Euro – Zustimmung zu Jamaika schwindet
BERLIN (dpa) - Trotz sprudelnder Steuereinnahmen haben die potenziellen Jamaika-Partner wohl weniger finanziellen Spielraum als erhofft. Dies dürfte die Sondierungsgespräche zwischen CDU, CSU, FDP und Grünen nicht einfacher machen. Die Steuerschätzer korrigierten am Donnerstag ihre Erwartungen für dieses und die kommenden Jahre nochmals nach oben. Sie gehen nun davon aus, dass die Staatskassen von 2017 bis 2021, also in dieser Legislaturperiode, im Vergleich zur MaiPrognose immerhin 26,3 Milliarden Euro zusätzliche Einnahmen erwarten dürfen. Von 2017 bis 2021 steigen demnach die Einnahmen insgesamt von 734,2 Milliarden auf 857,9 Milliarden Euro, und bis 2022 auf 889,6 Milliarden Euro, wie der geschäftsführende Finanzminister Peter Altmaier (CDU) in Berlin bekannt gab.
Altmaier sagte auch an die Adresse der Jamaika-Unterhändler, dass die finanziellen Spielräume begrenzt seien: „Die Bäume wachsen auch in den nächsten Jahren nicht in den Himmel.“Die Spielräume seien dennoch gering. Unionspolitiker warnten vor einem Wegfall des Solidaritätszuschlages.
Die Zustimmung zur Jamaika-Koalition sinkt derweil. Laut ARDDeutschlandtrend fänden nur noch 45 Prozent der Bürger ein Bündnis aus Union, FDP und Grünen gut oder sehr gut. Das sind 12 Punkte weniger als Anfang Oktober.
Mag Peter Altmaier auch warnen, so kann sich die künftige Bundesregierung doch über ein stattliches Milliardenpolster freuen. Das Ziel der schwarzen Null, der Verzicht auf neue Schulden, sollte auch in den kommenden Jahren erreicht werden. Zumindest darüber scheinen sich Union, FDP und Grüne bei ihren zähen Sondierungen einig zu sein.
Angesichts der langen Wunschzettel der Jamaikaner reicht aber der Geldsegen nicht annähernd aus. Union, FDP und Grüne müssen bei ihren Wahlversprechen Abstriche machen. Es ist höchste Zeit für spürbare Entlastungen. Wann, wenn nicht jetzt, sollte die Schraube, vor allem auch für Familien, zurückgedreht werden? Wem wenig Netto vom Brutto bleibt, dem fällt es schwer, den Appellen der Politik nachzukommen und privat mehr finanzielle Vorsorge fürs Alter zu treffen. Wenn die neue Regierung wirtschaftliche Anreize setzen und das Wachstum verstetigen will, muss sie für Entlastung sorgen.
Der Abbau des Solidaritätszuschlags wäre ein Anfang und ein wichtiges Signal. Einst als vorübergehende Abgabe zur Finanzierung der deutschen Einheit eingeführt, ist er bis heute geblieben. Ihn für alle Zeit unter anderem Etikett weiterlaufen zu lassen, wäre eine Steuerlüge.
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