Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Mehr Pflegebedürftige, weniger Personal
Report der Barmer Ersatzkasse – Mangel bleibt Thema Nummer eins
BERLIN - Der Pflegereport der Barmer Ersatzkasse schlägt Alarm. Bis 2050 wird die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland von drei auf fünf Millionen steigen, gleichzeitig sinkt die Zahl des Personals. Krankenkassen-Chef Christoph Straub ruft die Politiker, die derzeit ein Jamaika-Bündnis verhandeln, deshalb auf, für mehr Personal in der Pflege zu sorgen. Mehr Stellen und eine höhere Bezahlung der Pflegekräfte sind für ihn unabdingbar.
„Das ist ein mittel- und langfristiges Problem“, sagt auch der Gesundheitsökonom Heinz Rothgang von der Universität Bremen bei der Vorstellung des Pflegereports in Berlin. Nach seinen Berechnungen werden schon 2030 rund 350 000 Stellen in der Pflege unbesetzt bleiben, wenn nichts getan wird.
Zurzeit sieht es für mehr Pflegekräfte aber nicht gut aus. Denn Christoph Straub weiß aus langjähriger Erfahrung im Gesundheitswesen: „Je besser die Konjunktur läuft, desto schwieriger wird es, qualifizierte Pflegekräfte in ausreichender Zahl zu finden.“Die angespannte Personallage in Krankenhäusern und Pflegeheimen ist auch Thema der Sondierungsverhandlungen in Berlin.
Mehr Betreuungskräfte
Verdi-Chef Frank Bsirske hat die Politik bereits aufgefordert, sie müsse eine Mindest-Personalstärke für Altenheime und Krankenhäuser vorschreiben. Die Personaldecke im Pflegebereich sei völlig unzureichend. Derzeit könne es vorkommen, dass eine einzige Krankenpflegerin nachts für mehr als 35 Menschen verantwortlich sei, sagte er der „Rheinischen Post“.
Im vergangenen Jahr konnte allerdings die Zahl der zusätzlichen Betreuungskräfte in Pflegeeinrichtungen auf 60 000 verdoppelt werden. Diese Betreuungskräfte unterstützen die Arbeit der Pflegefachkräfte, indem sie mit Pflegebedürftigen beispielsweise spazieren gehen, Bewegungsübungen machen, gemeinsam lesen, in den Gottesdienst gehen oder einfach nur da sind und zuhören. „Weitere Schritte müssen folgen, dazu gehören insbesondere weitere Verbesserungen bei der Ausstattung mit Pflegefachkräften und angemessene Löhne auch in nicht tariflich-gebundenen Pflegeeinrichtungen überall in Deutschland", sagt Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU): „Gute Arbeitsbedingungen für alle, die in der Pflege täglich Enormes leisten, werden ein zentrales Thema auch in der kommenden Wahlperiode sein – dafür kämpfe ich.“
Entbürokratisierung geplant
In dem Arbeitspapier der JamaikaVerhandler ist festgehalten: „Uns eint der Wille, die Arbeitsbedingungen in der Alten- und Krankenpflege spürbar zu verbessern. Deshalb diskutieren wir über die Frage der Vergütung und die volle Refinanzierung von Tarifsteigerungen im Rahmen der Krankenhausvergütung. Wir prüfen darüber hinaus die Möglichkeiten eines Sofortprogrammes zur Verbesserung der Personalausstattung.“Außerdem sollen Pflegekräfte durch eine Entbürokratisierung der Pflegedokumentation entlastet werden. Gute Pflege wird nicht nur für die Pflegekassen immer teurer, sondern auch für die Heimbewohner. Am meisten müssen die Bürger in Nordrhein-Westfalen zahlen mit einem durchschnittlichen Eigenanteil von 2252 Euro. Im Mittelfeld liegen Baden-Württemberg mit 1858 Euro und Bayern mit 1713 Euro. Am besten weg kommen die Menschen in Sachsen-Anhalt mit 1107 Euro. Die Ausgaben für Pflege steigen seit Jahren kontinuierlich, von 4,9 Milliarden im Jahr 1995 auf 31 Milliarden im Jahr 2016. Deshalb müsse auch darüber geredet werden, was ein angemessener Gewinn für Pflegeeinrichtungen ist, meint Heinz Rothgang.