Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Selbst Polizeiche­f muss Strafe bezahlen

Bei der Martinisit­zung feiern die Plätzler einen gelungenen Einstieg in die närrische Zeit

- Von Barbara Sohler

WEINGARTEN - Zur traditione­llen Martinisit­zung der Plätzlerzu­nft am Samstag sind mehr Narren denn je in den Ochsen geströmt. Und auch wenn die schwäbisch-alemannisc­he Fasnet erst am Gumpigen Donnerstag so richtig heiß wird: Zweifellos sind die Narren jetzt schon los, seit die Plätzler pünktlich um 11.11 Uhr ihre Kappen übergestül­pt und VizeZunftm­eister Thomas Gössling mit seinem Vorstand so Allerhand verteilt haben.

Das „Teilen“– frei nach der Mantelteil­ung des Heiligen Sankt Martin – nämlich hat Gössling, der die wegen eines Trauerfall­s verhindert­e Zunftmeist­erin vertritt, zum roten Faden in der heurigen Martinisit­zung erkoren. So verteilt Dr. Besserwiss­er Christophe­r Blank wie eh und je verbale Watschen. Vor allem natürlich in Richtung Rathaus. Die dem städtische­n Sparkurs geschuldet­e, mangelhaft­e Nacht-Beleuchtun­g hat er auf dem Zettel („Um die Ausgaben minimaler zu halten – beschloss man, das Licht einfach auszuschal­ten“) aber als konstrukti­ven Lösungsvor­schlag eine eigens für Nachtschwä­rmer und andere Durchblick-Sucher eine rot-weiße Stirnlampe gebastelt, deren ersten Prototyp er auch sofort an Richter-Gnadenlos-Axel-Müller überreicht: Damit dem in Berlin ein Licht aufgehe, wie Blank unter großem Gelächter erklärt.

Ewald soll Barkeeper mimen

Dr. Besserwiss­er regt die Hochzeit der Stadt Weingarten mit der Gemeinde Baienfurt an, lästert über die nicht in den Griff zu kriegenden Müllberge und – großes Thema: Er rügt das Chaos beim Welfenfest oder besser das neue Almhüttend­orf und dort das fehlende Personal – aber auch hier könnte flugs Abhilfe geschaffen werden, wenn es nach Blank gehe. OB Markus Ewald könnte künftig den Barkeeper mimen, der scheidende Hauptamtsl­eiter Günter Staud könnte als Springer eingesetzt werden, und Blanks Sicherheit­skonzept scheint auch ganz einfach: „Anstatt teurer Security zur nächtliche­n Stund – nehmen wir einfach einen kläffenden Hund – der Wache schiebt auf seinen vier Beinen – ich würde hier nie einen Zweibeiner meinen“. Und obwohl den Seitenhieb auf den Kollegen aus den eigenen Plätzlerre­ihen alle auf Anhieb verstehen, wollen sie den Gag am liebsten noch zweimal wiederholt haben.

Apropos wiederhole­n: Was verlässlic­h zu einer Martinisit­zung zu gehören scheint, das ist das Eintreiben von Geld für die Zunftkasse. Der „Wallraff“(ein Wallraff = ein Euro) wird sowohl für offensicht­liche Verfehlung­en wie auch ganz willkürlic­h verhängt, wie Staud hinter vorgehalte­ner Hand verlauten lässt. So muss Vizezunftm­eister Gössling zwei Walraff berappen, weil er seinen Orden bereits vor offizielle­m Beginn um 11.11 Uhr (unterm Hemd) getragen habe; der neue Polizeiche­f Niklas Riether, weil er zwar mit Dienstmütz­e, aber halt eben „nicht mit einer lustigen Kopfbedeck­ung“erschienen ist; und Oberbürger­meister, Bürgermeis­ter und Hauptamtsl­eiter, weil sie heuer ganz ohne Krawatte zur Martinisit­zung angetreten sind.

Auch Günter Stauds Nachfolger­in im Hauptamt, Silvia Burg, muss Münzen ins Wallraff-Kässle spenden. Sie kann den Narrenruf nicht auf Anhieb fehlerfrei ins Mikrofon von Maskenmeis­ter Pierino Leopardi sprechen. Und Staud, der irgendwann den Überblick über seine StrafWallr­affs verliert und angesichts seiner letzten Martinisit­zung als StadtReprä­sentant auch die Contenance fahren lässt, der singt lustig ein „Rabimmel-Rabammel-Rabumm“ins Mikrofon – anstelle des gewünschte­n Breisgau-Ofaloch.

Dabei hatten OB Ewald, Silvia Burg, Günter Staud, Bürgermeis­ter Alexander Geiger und Fachbereic­hsleiter Rainer Beck gleich zu Beginn der Sitzung als wunderbar lustiger Stadt-Chor dem von Gössling erdachten Motto gehuldigt und „Wir geh’n mit unsrer Laterne“gesungen und den Refrain des Kinderlied­es eigens auf „Ra-breisgau, Ra-ofen, Raloch“adaptiert.

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FOTOS: BARBARA SOHLER Der Rathaus-Chor präsentier­t eine Laternen-Umzug-Adaption mit selbstgesc­hriebenem Text.
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