Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Selbst Polizeichef muss Strafe bezahlen
Bei der Martinisitzung feiern die Plätzler einen gelungenen Einstieg in die närrische Zeit
WEINGARTEN - Zur traditionellen Martinisitzung der Plätzlerzunft am Samstag sind mehr Narren denn je in den Ochsen geströmt. Und auch wenn die schwäbisch-alemannische Fasnet erst am Gumpigen Donnerstag so richtig heiß wird: Zweifellos sind die Narren jetzt schon los, seit die Plätzler pünktlich um 11.11 Uhr ihre Kappen übergestülpt und VizeZunftmeister Thomas Gössling mit seinem Vorstand so Allerhand verteilt haben.
Das „Teilen“– frei nach der Mantelteilung des Heiligen Sankt Martin – nämlich hat Gössling, der die wegen eines Trauerfalls verhinderte Zunftmeisterin vertritt, zum roten Faden in der heurigen Martinisitzung erkoren. So verteilt Dr. Besserwisser Christopher Blank wie eh und je verbale Watschen. Vor allem natürlich in Richtung Rathaus. Die dem städtischen Sparkurs geschuldete, mangelhafte Nacht-Beleuchtung hat er auf dem Zettel („Um die Ausgaben minimaler zu halten – beschloss man, das Licht einfach auszuschalten“) aber als konstruktiven Lösungsvorschlag eine eigens für Nachtschwärmer und andere Durchblick-Sucher eine rot-weiße Stirnlampe gebastelt, deren ersten Prototyp er auch sofort an Richter-Gnadenlos-Axel-Müller überreicht: Damit dem in Berlin ein Licht aufgehe, wie Blank unter großem Gelächter erklärt.
Ewald soll Barkeeper mimen
Dr. Besserwisser regt die Hochzeit der Stadt Weingarten mit der Gemeinde Baienfurt an, lästert über die nicht in den Griff zu kriegenden Müllberge und – großes Thema: Er rügt das Chaos beim Welfenfest oder besser das neue Almhüttendorf und dort das fehlende Personal – aber auch hier könnte flugs Abhilfe geschaffen werden, wenn es nach Blank gehe. OB Markus Ewald könnte künftig den Barkeeper mimen, der scheidende Hauptamtsleiter Günter Staud könnte als Springer eingesetzt werden, und Blanks Sicherheitskonzept scheint auch ganz einfach: „Anstatt teurer Security zur nächtlichen Stund – nehmen wir einfach einen kläffenden Hund – der Wache schiebt auf seinen vier Beinen – ich würde hier nie einen Zweibeiner meinen“. Und obwohl den Seitenhieb auf den Kollegen aus den eigenen Plätzlerreihen alle auf Anhieb verstehen, wollen sie den Gag am liebsten noch zweimal wiederholt haben.
Apropos wiederholen: Was verlässlich zu einer Martinisitzung zu gehören scheint, das ist das Eintreiben von Geld für die Zunftkasse. Der „Wallraff“(ein Wallraff = ein Euro) wird sowohl für offensichtliche Verfehlungen wie auch ganz willkürlich verhängt, wie Staud hinter vorgehaltener Hand verlauten lässt. So muss Vizezunftmeister Gössling zwei Walraff berappen, weil er seinen Orden bereits vor offiziellem Beginn um 11.11 Uhr (unterm Hemd) getragen habe; der neue Polizeichef Niklas Riether, weil er zwar mit Dienstmütze, aber halt eben „nicht mit einer lustigen Kopfbedeckung“erschienen ist; und Oberbürgermeister, Bürgermeister und Hauptamtsleiter, weil sie heuer ganz ohne Krawatte zur Martinisitzung angetreten sind.
Auch Günter Stauds Nachfolgerin im Hauptamt, Silvia Burg, muss Münzen ins Wallraff-Kässle spenden. Sie kann den Narrenruf nicht auf Anhieb fehlerfrei ins Mikrofon von Maskenmeister Pierino Leopardi sprechen. Und Staud, der irgendwann den Überblick über seine StrafWallraffs verliert und angesichts seiner letzten Martinisitzung als StadtRepräsentant auch die Contenance fahren lässt, der singt lustig ein „Rabimmel-Rabammel-Rabumm“ins Mikrofon – anstelle des gewünschten Breisgau-Ofaloch.
Dabei hatten OB Ewald, Silvia Burg, Günter Staud, Bürgermeister Alexander Geiger und Fachbereichsleiter Rainer Beck gleich zu Beginn der Sitzung als wunderbar lustiger Stadt-Chor dem von Gössling erdachten Motto gehuldigt und „Wir geh’n mit unsrer Laterne“gesungen und den Refrain des Kinderliedes eigens auf „Ra-breisgau, Ra-ofen, Raloch“adaptiert.