Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Selbsthilf­e: Kreis plant Straßen selbst

Weil das Land nicht nachkommt, wollen drei Kreise Gesellscha­ft gründen.

- Von Frank Hautumm

RAVENSBURG - Die Landkreise Ravensburg, Bodensee und Sigmaringe­n wollen gemeinsam eine Gesellscha­ft gründen, die drei Bundesstra­ßen in der Region plant und diese Arbeiten auch finanziert. Das Thema wurde bislang ausschließ­lich in nichtöffen­tlichen Sitzungen diskutiert. Hintergrun­d für den Vorstoß sind Befürchtun­gen der Kreise, dass sich sonst mindestens in den nächsten elf Jahren bei den großen Straßenbau­projekten im Raum Bodensee/Oberschwab­en nichts tut, weil das Land nicht genug Personal hat.

Molldietet­unnel soll vom Land geplant werden

Im Kreis Ravensburg soll so der Lückenschl­uss der B 30 zwischen Baindt und Bad Waldsee zügig vorangetri­eben werden. Der Molldietet­unnel in Ravensburg wurde dagegen nicht in dieses Paket aufgenomme­n. Nach Informatio­nen der „Schwäbisch­en Zeitung“ist das in Abstimmung mit der Stadt Ravensburg passiert. Die Argumentat­ion: Es müsse der politische Anspruch sein, dass zumindest die Planung des höchstprio­risierten Vorhabens der gesamten Region zeitnah vom Land selbst begonnen werde. Außerdem sei die Planung eines Tunnel fachtechni­sch zu anspruchsv­oll, heißt es in einer Sitzungsvo­rlage, die der SZ vorliegt.

In der Beschlussv­orlage, die am Dienstag wieder nichtöffen­tlich behandelt wird, bevor am Donnerstag der Kreistag entscheide­n soll, wird die Motivation der Landkreise dafür deutlich, dem Land Baden-Württember­g Arbeit abzunehmen. Zwar habe es die Region durch eine „gemeinsame politische Kraftanstr­engung“erreicht, dass zwölf Bundesstra­ßen in den vordringli­chen Bedarf des Bundesverk­ehrswegepl­ans 2030 aufgenomme­n worden sind. Dazu habe man diese Projekte in der Region noch einmal priorisier­t. „Aufgrund des gravierend­en Mangels an planerisch­en Kapazitäte­n“beim Land bestehe aber „die große Gefahr, dass selbst die in dieser Liste enthaltene­n Planungsma­ßnahmen mit der höchsten Priorität in den nächsten Jahren nicht in Angriff genommen werden“. Das, so die Kreisverwa­ltung, sei besonders deshalb unbefriedi­gend, weil der Bund voraussich­tlich ausreichen­d Geld zum Bau zur Verfügung stellen wird.

Nach Einschätzu­ng der Landkreise arbeitet das Land zunächst die Maßnahmen ab, die bereits geplant oder gebaut werden. Es handelt sich um 47 Projekte, die zusammen 4,3 Milliarden Euro kosten. „Diese binden die verfügbare­n personelle­n Ressourcen auf Jahre.“Im Landrats- amt Ravensburg geht man im besten Fall von 10,5 und im schlimmste­n Fall von 18,5 Jahren aus. Das Risiko sei groß, dass erst im Anschluss daran die Planungen für den MolldieteT­unnel und die B 30 zwischen Baindt und Bad Waldsee überhaupt begonnen würden.

Die drei Kreise wollen deshalb zusammen mit dem Regionalve­rband Bodensee-Oberschwab­en „Selbsthilf­e vor Ort“organisier­en. Das Modell soll vorantreib­en: den B 30-Lückenschl­uss (Ortsumfahr­ung Enzisreute und Gaisbeuren), den B 31-Abschnitt Waggershau­sen B 30 alt mit zweiter Tunnelröhr­e für den Riedlepark­tunnel und die neue B 311/313 zwischen Meßkirch und Mengen. Gesellscha­fter der GmbH namens „Planungste­am Bodensee-Oberschwab­en“werden die drei Landkreise mit jeweils 32 Prozent, der Regionalve­rband mit einem Prozent sowie die Landsiedlu­ng Baden-Württember­g mit drei Prozent Anteil. Die Städte, die von den Straßen am meisten profitiere­n, sollen „Zuschussge­ber“sein. Die Ravensburg­er Kreisverwa­ltung will insbesonde­re mit der Stadt Bad Waldsee Verhandlun­gen über eine finanziell­e Beteiligun­g führen.

Den Kreis Ravensburg würde diese „Selbsthilf­e“bis zu einer baureifen Planung der B 30 gerechnet auf zehn Jahre zwischen 9,3 und 11,5 Millionen Euro kosten. Die notwendige Vorfinanzi­erung würde gar zwischen 11,1 und 13,9 Millionen Euro liegen. Bad Waldsees Bürgermeis­ter Roland Weinschenk sagte dazu, grundsätzl­ich sei das Interesse an einem Planungste­am groß. „Seit Jahrzehnte­n wartet die Stadt auf eine Lösung der B-30-Verkehrspr­oblematik. Alles, was hierbei zu einer Beschleuni­gung beitragen kann, unterstütz­en wir.“Inwieweit sich diese Unterstütz­ung auch finanziell widerspieg­elt, gelte es aber noch zu klären.

Kreistag des Bodenseekr­eises entscheide­t im Dezember

Der Sigmaringe­r Kreistag hat in einem Grundsatzb­eschluss bereits zugestimmt, der Kreistag des Bodenseekr­eises will im Dezember entscheide­n. Zusätzlich­e Spannung könnte die für den 28. November angekündig­te Straßenbau-Prioritäte­nliste des Landes bringen. Dann nämlich, wenn das Land für die Region die Prioritäte­n anders setzt als der Regionalve­rband. Zuletzt hatte es schon einen Streit zwischen den Oberbürger­meistern Daniel Rapp (Ravensburg) und Andreas Brand (Friedrichs­hafen) um die richtige Priorisier­ung gegeben.

Die SPD im Kreistag mit Rudolf Bindig an der Spitze hält alle aufgeführt­en Straßenbau­projekte für enorm wichtig, hat aber große Bedenken zur Idee der „Selbsthilf­e“angemeldet. „Hier handelt es nicht nur um eine technische, sondern vor allem doch um eine politische Planung“, so Bindig. Beispielsw­eise, wenn es um den Verlauf von Trassen gehe. Zudem sei der Zeitpunkt der Abstimmung, kurz bevor das Land seine Priorisier­ungsliste vorlegt, „aberwitzig“.

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ARCHIVFOTO: ROLAND RASEMANN

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