Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Selbsthilfe: Kreis plant Straßen selbst
Weil das Land nicht nachkommt, wollen drei Kreise Gesellschaft gründen.
RAVENSBURG - Die Landkreise Ravensburg, Bodensee und Sigmaringen wollen gemeinsam eine Gesellschaft gründen, die drei Bundesstraßen in der Region plant und diese Arbeiten auch finanziert. Das Thema wurde bislang ausschließlich in nichtöffentlichen Sitzungen diskutiert. Hintergrund für den Vorstoß sind Befürchtungen der Kreise, dass sich sonst mindestens in den nächsten elf Jahren bei den großen Straßenbauprojekten im Raum Bodensee/Oberschwaben nichts tut, weil das Land nicht genug Personal hat.
Molldietetunnel soll vom Land geplant werden
Im Kreis Ravensburg soll so der Lückenschluss der B 30 zwischen Baindt und Bad Waldsee zügig vorangetrieben werden. Der Molldietetunnel in Ravensburg wurde dagegen nicht in dieses Paket aufgenommen. Nach Informationen der „Schwäbischen Zeitung“ist das in Abstimmung mit der Stadt Ravensburg passiert. Die Argumentation: Es müsse der politische Anspruch sein, dass zumindest die Planung des höchstpriorisierten Vorhabens der gesamten Region zeitnah vom Land selbst begonnen werde. Außerdem sei die Planung eines Tunnel fachtechnisch zu anspruchsvoll, heißt es in einer Sitzungsvorlage, die der SZ vorliegt.
In der Beschlussvorlage, die am Dienstag wieder nichtöffentlich behandelt wird, bevor am Donnerstag der Kreistag entscheiden soll, wird die Motivation der Landkreise dafür deutlich, dem Land Baden-Württemberg Arbeit abzunehmen. Zwar habe es die Region durch eine „gemeinsame politische Kraftanstrengung“erreicht, dass zwölf Bundesstraßen in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans 2030 aufgenommen worden sind. Dazu habe man diese Projekte in der Region noch einmal priorisiert. „Aufgrund des gravierenden Mangels an planerischen Kapazitäten“beim Land bestehe aber „die große Gefahr, dass selbst die in dieser Liste enthaltenen Planungsmaßnahmen mit der höchsten Priorität in den nächsten Jahren nicht in Angriff genommen werden“. Das, so die Kreisverwaltung, sei besonders deshalb unbefriedigend, weil der Bund voraussichtlich ausreichend Geld zum Bau zur Verfügung stellen wird.
Nach Einschätzung der Landkreise arbeitet das Land zunächst die Maßnahmen ab, die bereits geplant oder gebaut werden. Es handelt sich um 47 Projekte, die zusammen 4,3 Milliarden Euro kosten. „Diese binden die verfügbaren personellen Ressourcen auf Jahre.“Im Landrats- amt Ravensburg geht man im besten Fall von 10,5 und im schlimmsten Fall von 18,5 Jahren aus. Das Risiko sei groß, dass erst im Anschluss daran die Planungen für den MolldieteTunnel und die B 30 zwischen Baindt und Bad Waldsee überhaupt begonnen würden.
Die drei Kreise wollen deshalb zusammen mit dem Regionalverband Bodensee-Oberschwaben „Selbsthilfe vor Ort“organisieren. Das Modell soll vorantreiben: den B 30-Lückenschluss (Ortsumfahrung Enzisreute und Gaisbeuren), den B 31-Abschnitt Waggershausen B 30 alt mit zweiter Tunnelröhre für den Riedleparktunnel und die neue B 311/313 zwischen Meßkirch und Mengen. Gesellschafter der GmbH namens „Planungsteam Bodensee-Oberschwaben“werden die drei Landkreise mit jeweils 32 Prozent, der Regionalverband mit einem Prozent sowie die Landsiedlung Baden-Württemberg mit drei Prozent Anteil. Die Städte, die von den Straßen am meisten profitieren, sollen „Zuschussgeber“sein. Die Ravensburger Kreisverwaltung will insbesondere mit der Stadt Bad Waldsee Verhandlungen über eine finanzielle Beteiligung führen.
Den Kreis Ravensburg würde diese „Selbsthilfe“bis zu einer baureifen Planung der B 30 gerechnet auf zehn Jahre zwischen 9,3 und 11,5 Millionen Euro kosten. Die notwendige Vorfinanzierung würde gar zwischen 11,1 und 13,9 Millionen Euro liegen. Bad Waldsees Bürgermeister Roland Weinschenk sagte dazu, grundsätzlich sei das Interesse an einem Planungsteam groß. „Seit Jahrzehnten wartet die Stadt auf eine Lösung der B-30-Verkehrsproblematik. Alles, was hierbei zu einer Beschleunigung beitragen kann, unterstützen wir.“Inwieweit sich diese Unterstützung auch finanziell widerspiegelt, gelte es aber noch zu klären.
Kreistag des Bodenseekreises entscheidet im Dezember
Der Sigmaringer Kreistag hat in einem Grundsatzbeschluss bereits zugestimmt, der Kreistag des Bodenseekreises will im Dezember entscheiden. Zusätzliche Spannung könnte die für den 28. November angekündigte Straßenbau-Prioritätenliste des Landes bringen. Dann nämlich, wenn das Land für die Region die Prioritäten anders setzt als der Regionalverband. Zuletzt hatte es schon einen Streit zwischen den Oberbürgermeistern Daniel Rapp (Ravensburg) und Andreas Brand (Friedrichshafen) um die richtige Priorisierung gegeben.
Die SPD im Kreistag mit Rudolf Bindig an der Spitze hält alle aufgeführten Straßenbauprojekte für enorm wichtig, hat aber große Bedenken zur Idee der „Selbsthilfe“angemeldet. „Hier handelt es nicht nur um eine technische, sondern vor allem doch um eine politische Planung“, so Bindig. Beispielsweise, wenn es um den Verlauf von Trassen gehe. Zudem sei der Zeitpunkt der Abstimmung, kurz bevor das Land seine Priorisierungsliste vorlegt, „aberwitzig“.