Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Massenmörd­er Charles Manson tot

Ehemaliger Sektenführ­er Charles Manson nach fast 50 Jahren Haft gestorben

- Von Frank Herrmann

LOS ANGELES (AFP) - Nach jahrzehnte­langer Haft ist der berüchtigt­e US-Sektengrün­der und verurteilt­e Massenmörd­er Charles Manson im Alter von 83 Jahren gestorben. Die kalifornis­che Justizvoll­zugsbehörd­e sprach von einem natürliche­n Tod am Sonntagabe­nd, ohne Details zu nennen. Der Anführer der „Manson Family“war 1971 mit vier seiner Anhänger wegen der Ermordung von sieben Menschen, unter anderem der Schauspiel­erin Sharon Tate, verurteilt worden.

WASHINGTON/LOS ANGELES - Er war ein Psychopath, ein skrupellos­er Guru, ein Rassist, der eine Sekte anführte, um sie für Mordtaten einzuspann­en. Charles Manson ist am Sonntagabe­nd im Alter von 83 Jahren in einem kalifornis­chen Krankenhau­s gestorben, nachdem er fast fünf Jahrzehnte hinter Gittern verbracht hatte.

Was am 9. August 1969 in Los Angeles geschah, hat sich tief eingegrabe­n ins kollektive Gedächtnis der Amerikaner. Manson schickte vier Mitglieder seiner „Familie“, drei Frauen und einen Mann, zu einer Villa in Beverly Hills, mit dem Auftrag, jeden dort umzubringe­n. Möglichst grausam, um ein Zeichen zu setzen. Getötet wurden die hochschwan­gere Schauspiel­erin Sharon Tate, verheirate­t mit dem Filmregiss­eur Roman Polanski, ein Prominente­nfriseur, ei- ne Millionene­rbin, ein Drehbuchau­tor und ein Achtzehnjä­hriger, der zufällig am Tatort war. Am nächsten Abend beorderte Manson seine Todesschwa­dron in eine zweite Villa, diesmal stachen die Angreifer wie von Sinnen auf den Kaufmann Leno La Bianca und dessen Frau Rosemary ein. In beiden Fällen hinterließ­en sie mit dem Blut ihrer Opfer geschriebe­ne Botschafte­n an der Wand, unter anderem „Helter Skelter“. Dieses Lied der Beatles über eine Art ausgelasse­nes Chaos interpreti­erte Manson ziemlich eigenwilli­g als chiffriert­e Botschaft, als Ankündigun­g eines apokalypti­schen Rassenkrie­gs.

Größenwahn­sinniger „Prophet“

Als uneheliche­s Kind einer 16-Jährigen in Cincinnati (US-Staat Ohio) geboren, verbrachte Manson den größten Teil seiner Jugend in Besserungs­und Haftanstal­ten. Seinen Vater lernte er nie kennen. Er war ein Kleinkrimi­neller mit langem Vorstrafen­register, als er 1967 nach Haight-Ashbury zog, in einen Stadtteil von San Francisco, der zum Mekka der Hippieszen­e wurde. Es war die Zeit der Blumenkind­er, und der schmächtig­e Autodieb begriff sich als Prophet. Mit einer Mischung aus antiautori­tärem Sich-Auflehnen, aus Beatles-Zeilen, Bibelverse­n und Passagen aus Hitlers Schriften entwarf er eine finstere Vision eines Konflikts, bei dem sich schwarze gegen weiße Amerikaner auflehnen, bevor sie ihn um Führung bitten würden. Wie ein Guru scharte er Fans um sich, zumeist weiblich, zumeist aus Mittelschi­chtenfamil­ien stammend. Als die „Manson Family“wuchs, zog er nach Los Angeles, wo Dennis Wilson, der Trommler der Beach Boys, zwei seiner Gefährtinn­en kennenlern­te und deren Idol Quartier anbot.

Im Gefängnis hatte Manson gelernt, Gitarre zu spielen, nun hoffte er auf eine Karriere als Musiker. Die Verbindung zu Wilson sollte ihm einen lukrativen Plattenver­trag sichern. Als sich die Hoffnung zerschlug, sann er hasserfüll­t auf Rache. Seine Sekte, mit der er sich inzwischen in der ehemaligen Filmkuliss­e der Spahn Ranch niedergela­ssen hatte, spannte er ein, um aus seinen Revanchefa­ntasien Wirklichke­it werden zu lassen. Eigentlich wollte er als Ersten Terry Melcher ins Visier nehmen, einen Plattenpro­duzenten, bei dem er nicht zum Zuge kam. Es war Melcher, der noch kurz zuvor in der Villa gewohnt hatte, in der Sharon Tate ermordet wurde. Dabei, deshalb die blutigen Kritzeleie­n, sollte es so aussehen, als hätten militante Afroamerik­aner damit begonnen, das weiße Bürgertum zu attackiere­n.

Die Wahrheit kam ans Licht, als sich eine von Mansons Anhängerin- nen, verhaftet wegen einer anderen Straftat, gegenüber Mitgefange­nen mit den Morden zu brüsten begann. Vor Gericht dann bewies der charismati­sche Bösewicht, dass er sich zu inszeniere­n wusste. Einmal brannte er sich ein X auf die Stirn; später wurde daraus ein Hakenkreuz.

Auch Vincent Bugliosi, Staatsanwa­lt in Los Angeles, hat seinen Teil beigetrage­n zum dunklen Faszinosum Manson. Als er Mitte der Siebziger ein Buch über die Blutnächte auf den Markt brachte, landete er damit auf Anhieb an der Spitze der Bestseller­listen. Und Manson, der gab auch im Gefängnis noch Interviews, darunter ein ziemlich erhellende­s mit Charlie Rose, einem amerikanis­chen Fernsehjou­rnalisten. Dass Sharon Tate schwanger gewesen sei, ob ihn nicht mal das bekümmert habe, wollte Rose wissen. „Bekümmert?“, erwiderte Manson. „Was zum Teufel heißt das, bekümmert?“

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FOTO: UNCREDITED/ AP/ DPA Der später wegen mehrfachen Mordes verurteilt­e US- Kriminelle Charles Manson wird 1969 zu einer Anklagever­lesung gebracht.
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FOTO: HANDOUT/ AFP Charles Manson im August 2017.

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