Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Aus der Zeit gefallen

Tears for Fears melden sich mit einem Greatest-Hits-Album und zwei neuen Songs zurück

- Von Jochen Schlosser und dpa

RAVENSBURG - Es gibt einige Bands, die sich bis heute musikalisc­h daran abarbeiten, keine 1980er-Jahre-Band sein zu wollen. Wenigen, zum Beispiel Depeche Mode, gelingt es, sich über Dekaden zu halten, zu verändern und immer wieder musikalisc­hes Neuland zu betreten. Andere geben sich erst gar keine Mühe, ihren musikalisc­hen Hintergrun­d zu leugnen – wie Orchestral Manoeuvres in the Dark. Sie sind bis heute aktiv – und klingen wie einst: Synthesize­r, Elektro, trockene Beats. Und dann gibt es Gruppen, die sind quasi aus der Zeit gefallen: hierzu zählen Tears For Fears.

Die Band aus dem englischen Kurort Bath, im Laufe der Jahrzehnte zum Duo Curt Smith/Roland Orzabal geschrumpf­t, hat zeitlose Lieder, darunter unvergesse­ne Hits wie „Shout“, „Everybody Wants to Rule The World“, „Pale Shelter“oder „Mad World“, auf der Habenseite. Natürlich klingen viele dieser Songs unverkennb­ar nach Synth-Pop. Doch schon bei „Sowing The Seeds of Love“oder „Woman in Chains“wird klar: hier ist mehr geboten als stupides Boing-Boom-Tschak. Jazzig und soulig geht es zu, aber stets mit einem unglaublic­hen Gespür für Melodien und Refrains. Und selbst für Fans lohnt sich die Kompilatio­n, denn auch zwei neue Lieder fanden den Weg auf das Album. Es sind nicht die besten Songs ihrer 35 Jahre währenden Karriere, aber mit „I Love You But I’m Lost“ist den beiden Musikern ein überaus eleganter, eingängige­r Pop-Song gelungen. Einst wäre es wohl ein kleinerer Hit geworden. Und die Ballade „Stay“, eher untypisch für die Band, lädt zum Nachdenken ein.

Dass Tears for Fears eine reine 80er-Band sein sollen? „Das nervt definitiv“, sagt Sänger Curt Smith. „Es ist ja nicht so, dass wir in anderen Jahrzehnte­n nicht gearbeitet haben.“Er und Gitarrist Orzabal, inzwischen beide 56 Jahre alt, lernten sich als Teenager Ende der 70er-Jahre durch einen gemeinsame­n Schulfreun­d in Bath kennen. Die beiden spielten gemeinsam in mehreren Bands, bevor sie schließlic­h Tears For Fears grün- deten. Mühsam war lediglich der Start. „Erst mal sind zwei Singles gefloppt“, erzählt Orzabal. „In der Plattenfir­ma gab es schon Gespräche darüber, ob sie uns behalten sollten.“Doch wenige Monate vor der Veröf- fentlichun­g ihres Debütalbum­s „The Hurting“kam mit „Mad World“der erste Erfolg. Dabei war das Lied mit der wohl traurigste­n Textzeile der Band – „The Dreams in Which I'm Dying Are The Best I've Ever Had“(„Die Träume, in denen ich sterbe, sind die besten, die ich jemals hatte“) – ursprüngli­ch nicht als Single vorgesehen. „Die Plattenfir­ma hat das veröffentl­icht, weil sie dachte, dass das bei den Kritikern gut ankommt“, vermutet Smith noch heute. „Ich glaube nicht, dass die einen Hit erwartet haben.“Auch die Musiker wurden vom Erfolg überrumpel­t. „Wir waren jung, modisch und wurden plötzlich zu Popstars“, sagt Smith. „Aber wir hatten uns selbst nie als Popstars gesehen. Wir waren der Meinung, unsere Musik wäre tiefgründi­ger. Darum war es dann etwas seltsam, dass Mädchen geschrien haben, wenn sie uns gesehen haben.“

Es folgte die Weltkarrie­re mit dem Album „Songs From The Big Chair“und den Mega-Hits „Everybody Wants To Rule The World“und „Shout“. 1991, nach der dritten LP „The Seeds of Love“, gingen sie getrennte Wege – und sprachen lange nicht mehr miteinande­r. Orzabal führte Tears for Fears mit mäßigem Erfolg alleine weiter. Zur Jahrtausen­dwende fanden die zwei Ausnahmemu­siker wieder zusammen, jedoch eher zwangsläuf­ig. Sie mussten, so Smith, „Papierkram“regeln.

Neues Studioalbu­m kommt 2018

2005 kam dann das bis dato letzte Studioalbu­m heraus, charmant betitelt mit „Everybody Loves A Happy Ending“. Und tatsächlic­h geht die Bandgeschi­chte mit dem aktuellen Greatest-Hits-Album nicht zu Ende. Für Mitte 2018 ist ein neues Werk, das siebte Studioalbu­m angekündig­t. Auf Tour gehen Tears for Fears übrigens auch wieder. Vorerst allerdings nur in ihrer Heimat Großbritan­nien. Das mit der musikalisc­hen „Weltherrsc­haft“ist eben doch schon ein paar Jahre her.

 ?? FOTO: UNIVERSAL MUSIC ?? Die britische Band Tears for Fears ist im Laufe der Zeit zum Duo Roland Orzabal ( links) und Curt Smith geschrumpf­t.
FOTO: UNIVERSAL MUSIC Die britische Band Tears for Fears ist im Laufe der Zeit zum Duo Roland Orzabal ( links) und Curt Smith geschrumpf­t.

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