Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Cola statt Champagner
Auch als Tennis-Weltmeister will Grigor Dimitrow bodenständig bleiben – Ziel ist der Sieg in einem Grand-Slam-Turnier
LONDON (SID/dpa) - In der Stunde des Triumphs dachte Grigor Dimitrow an sein persönliches Phantom von London. „Eine Person, die bei allem eine wichtige Rolle gespielt hat, ist meine Freundin Nicole“, sagte der 26-Jährige nach dem Sieg beim ATPFinale und erklärte nach seinem bisher wichtigsten Titelgewinn im Profitennis schmunzelnd: „Sie hält sich gut versteckt.“
Gemeint war Nicole Scherzinger, einst Frontfrau der Band Pussycat Dolls und ehemalige Partnerin von Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton. Die 29-Jährige fehlte beim bislang wichtigsten Endspiel ihres Freundes gegen David Goffin (7:5, 4:6, 6:3) in der riesigen O2-Arena; die US-Amerikanerin saß zeitgleich als Jurorin in der TV-Castingshow „X-Factor“. Für das obligatorische Siegerfoto inmitten von Tausenden Konfettischnipseln posierten an ihrer Stelle Dimitrows Eltern Maria, eine Sportlehrerin, und Dimitar, ein Tennistrainer, mit dem Sohnemann und dem mächtigen Pokal.
Auch nach seinem Coup blieb der frischgekrönte ATP-Weltmeister aus Bulgarien bescheiden. Bei der Pressekonferenz nippte Dimitrow lieber an einer Flasche Cola – und würdigte die auf dem Podest stehende goldene Magnumflasche Champagner keines Blickes. „Das Wichtigste ist, bodenständig zu bleiben und noch härter zu arbeiten“, sagte der neue Weltranglistendritte. „Ich will jetzt nicht ausflip- pen.“Stattdessen werde er einfach weiter nur auf sich achten – und noch härter trainieren. Ein Ziel von ihm sei, ein Grand-Slam-Turnier zu gewinnen. „Das ist schon immer ein Traum von mir gewesen“, betonte Dimitrow. „Ich habe noch viel zu geben. Ich will besser und noch besser spielen.“
Schon vor Jahren wurde Grigor Dimitrow, der seit 2008 als Profi tourt, wegen seines Talents und der einhändigen Rückhand „Baby Fed(erer)“getauft. 2014 schaffte der in Monaco lebende Dimitrow den Sprung in die Top Ten und stand im Halbfinale von Wimbledon. Doch der Durchbruch blieb da noch aus. Schlagzeilen machte der Mann aus Haskowo hauptsächlich wegen seiner Beziehung mit Tenniskollegin Maria Scharapowa.
Vergangene Saison folgte der Absturz bis auf Platz 40 des Rankings. „Ich musste mit meinen Dämonen ringen, um wieder beständiger zu werden“, beschrieb Dimitrow jüngst seinen inneren Kampf mit der Unsicherheit, der Angst vor Niederlagen, den er letztlich gewann. „In dieser schwierigen Zeit hätte ich nie gedacht, dass ich einmal das ATP-Finale gewinne. Aber diese Periode hat mir enorm geholfen, ich habe sie gebraucht“, sagte er. Enormen Anteil an der jüngsten Entwicklung hat Grigor Dimitrows Coach Dani Vallverdu. Der 31-jährige Venezolaner hatte bereits Andy Murray und Thomas Berdych trainiert, bevor er vor gut einem Jahr zum Team des Bulgaren stieß. „Ohne ihn“, sagt Dimitrow, „wäre ich nicht der, der ich heute bin.“
Arbeit und Spaß mit Nadal
Positiv wirkte sich auch eine Trainingswoche mit Konkurrent Rafael Nadal in dessen Akademie auf Mallorca aus. Auf dem Court wurde hart gearbeitet, abseits des Platzes hatte das Duo unter anderem Spaß beim Bootfahren. „Wir waren ein bisschen wie kleine Kinder. Ich denke, diese Momente sind etwas Besonderes für uns beide“, erzählte Dimitrow.
Genauso wie der – seltene – Urlaub etwas Besonderes für ihn ist. In den nächsten Tagen will er den genießen – und da besonders eine Sache: „Wenn ich morgens aufwache und machen kann, was ich will. Diese Freiheit hat man als Tennisprofi nicht besonders oft.“Zum vollkommenen Glück muss nur noch seine Freundin Nicole drehfrei haben.