Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Religion soll im Alltag Halt geben
Zum Artikel „Heidenrepublik Deutschland“(2.12.):
„Religion spielt für die alteingesessene deutsche und westeuropäische Gesellschaft eine immer geringere Rolle. Das ist nicht allein auf das Versagen der katholischen und evangelischen Kirche zurückzuführen.“Soweit kann ich Herrn Professor Wolffsohn zustimmen und ich teile seine Sorge um die Dialogfähigkeit der Christen mit dem Islam. Und ich ergänze: Dies liegt auch an einer Wirtschaft, für die Gott kontraproduktiv ist, weil sie ihn durch Geld und Vermögen als höchste Werte ersetzt hat, und der es eher gleichgültig ist, wenn unsere Erde zerstört und die Menschenwürde mit Füßen getreten wird. Dies liegt an Politikern, denen Macht wichtiger ist als Verantwortung für das Gemeinwohl. Dies liegt an uns Verbrauchern, wenn wir auf Kosten ärmerer Länder und unserer Nachkommen immer mehr konsumieren und meinen, dadurch würden wir glücklicher.
Dies liegt auch an Verbrechern, die den Namen Gottes missbrauchen, um Gewalt und Tod zu rechtfertigen. Religiöse Ahnungslosigkeit ist da willkommen, denn religiöse Werte, wie zum Beispiel die Verantwortung des Menschen für die Schöpfung und die Würde jedes Menschen als Ebenbild Gottes, hinterfragen dieses Denken und Handeln. Dazu darf die Kirche nicht schweigen. Ohne sich direkt in die Parteienpolitik einzumischen, sollte Religion Werte vermitteln, die nicht an der Kirchentür halt machen, sondern im Alltag, im Beruf und auch in der Politik den Menschen Orientierung geben. Herr Wolffsohn diffamiert den Religionsunterricht. Ich habe selbst jahrzehntelang moderne Naturwissenschaften (Physik, Mathematik) und Religion unterrichtet und sah darin keinen Widerspruch, sondern eine Bereicherung.
Als Schuldekan hatte ich an vielen Schulen Unterrichtsstunden zu beurteilen. Aber im Gegensatz zu der Behauptung von Herrn Wolffsohn durfte ich feststellen: Der Religionsunterricht ist meistens gut. Karl Ludwig Biggel, Friedrichshafen
Pseudo-Gerechtigkeits-Debatte
Zum Artikel „Union lehnt SPD-Kernthemen ab“über die SPD-Forderung einer Bürgerversicherung (11.12.): Deutliche Honorarverluste für niedergelassene Ärzte trotz gegenteiliger Beteuerungen aus der Politik werden sich nicht vermeiden lassen. Mit der Abschaffung der privaten Krankenversicherung wird dem Gesundheitssystem ein Milliardenbetrag entzogen.
Hinzu kommt, dass sich bereits heute die Nachfolgersuche im niedergelassenen Bereich sehr schwierig gestaltet. Nahezu unmöglich wird sie mit der Einführung einer Bürgerversicherung. Wer sollte noch das wirtschaftliche Wagnis einer Niederlassung eingehen, wenn er um sein finanzielles Auskommen fürchten muss. Dies gilt nicht nur für die Dermatologie, sondern für alle Bereiche der ambulanten Versorgung. Diese wird mit einer Bürgerversicherung ausbluten.
Darüber hinaus ist die Einführung einer Bürgerversicherung ein Mammutprojekt mit unkalkulierbaren rechtlichen Fallstricken. Wichtige Reformen im System der gesetzlichen Krankenversicherung, die beispielsweise die Herausforderungen einer älter werdenden Bevölkerung lösen könnten, werden damit ausgebremst, weil die Zeit fehlen wird.
Es soll die ausgezeichnete ambulante Versorgung in unserem Land und ein einzigartiges Facharztsystem durch eine Pseudo-Gerechtigkeits-Debatte geopfert werden. Ein Blick ins europäische Ausland zeigt, dass eine Einheitsversicherung das Niveau der medizinischen Versorgung insgesamt absenkt, Wartezeiten erhöht und den Zugang zu Fachärzten erschwert. Eine Bürgerversicherung verbessert nichts, sondern verschlechtert die Gesundheitsversorgung für alle.
Matthias Zumdick, Biberach
Wechselwirkungen untersuchen
Zu „Glyphosat-Diskussion braucht mehr Fakten“(30.11.):
Nach Ausschluss eines spezifischen Gesundheitsrisikos von Glyphosat richtet sich aktuell die ganze Aufmerksamkeit auf dessen Einfluss auf die Artenvielfalt. Die Landwirtschaft galt lange Zeit als Garant für die Artenund Biotopvielfalt in der offenen Kulturlandschaft. Klimawandel, Flächenverbrauch, veränderte Umweltbedingungen, Intensivierung im Pflanzenbau und Industrialisierung in der Tierhaltung tragen zum Verlust der biologischen Vielfalt bei.
Mit der Umstellung auf erneuerbare Energien, unter anderem dem verstärkten Anbau von nachwachsenden Rohstoffen (Monokulturen von Raps und Mais) und der intensivierten landwirtschaftlichen Nutzung, können Biodiversitätsverluste verbunden sein. Die engen Fruchtfolgen im Energiepflanzenanbau erfordern einen hohen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und bieten Insekten und Vögeln wenig Lebensraum. Die Gründe für den Rückgang der Artenvielfalt sind daher vielfältig. Seit 1974 wurde Glyphosat weltweit zum wichtigsten Herbizid in der Landwirtschaft. glyphosathaltige Breitbandmittel ermöglichen Landwirten eine einfache, flexible und kosteneffektive Art der Unkrautbeseitigung unter Vermeidung von Bodenverdichtung und Erosion. Bei einem geschätzten Verbrauch von einer Million Tonnen Glyphosat/Jahr weltweit sollten Hersteller, Landwirte und Naturschutzbehörden die Zeit der Anwendungsverlängerung nutzen, die spezifischen Wechselwirkungen von Glyphosat auf die Vielfalt der Arten (Tiere, Pflanzen, Pilze, Mikroorganismen) in multidisziplinäre Feldstudien qualitativ (Artenspektrum) und quantitativ (prozentual) im Vergleich zu den anderen Einflussfaktoren zu untersuchen.
Dr. Manfred Baumeister, Biberach
Tempolimit ist überfällig
Zu „Freie Fahrt oder Fuß vom Gas“(9.12.):
Das Fazit des Berichts bezieht sich auf erhöhte Sicherheit und geringeren Abgasausstoß. Ich sehe einen weiteren, mindestens genauso wichtigen Grund für eine Begrenzung auf Tempo 130: die Vermeidung von unnötigem Stress. Wer brav Richtgeschwindigkeit Tempo 130 fahren will und sich an das „Rechtsfahrgebot“hält, trägt die Hauptverantwortung für jeden Spurwechsel und muss dabei oft riesige Geschwindigkeitsdifferenzen einschätzen. Die Schnellen sind auf der linken Spur im Dauerüberholmanöver und dürfen Vorausfahrende, ausreichend Abstand vorausgesetzt, per Lichthupe zum Verlassen der Spur auffordern. Fahrtechnisch ist es also einfacher, schnell links zu fahren, als sich an „Richtgeschwindigkeit 130“halten zu wollen. Das ist geradezu diskriminierend.
Das Problem ist nur über eine Annäherung der Fahrgeschwindigkeiten zu lösen. Aus Richt- muss Höchstgeschwindigkeit 130 werden. Man könnte auch Lkw und Fahrzeuge mit Anhänger etwas schneller fahren lassen, was heute technisch ohne Weiteres möglich ist und zum Beispiel in Frankreich praktiziert wird. Diese Änderung brächte Vorteile wie stressfreie und weniger gefährliche Spurwechsel, weniger Unfälle, bessere Ausnutzung der Fahrspuren, mindestens gleicher, wenn nicht höherer Fahrzeugdurchsatz je Streckenkilometer, weniger Abgase. Das Einzige, was man vielleicht negativ benennen kann, ist der reduzierte Fahrspaß für Schnellfahrer. Der darf aber nicht zum Schaden aller aufrechterhalten werden. Die Entscheidung für ein Tempolimit 130 ist überfällig. Schon lange!
Artur Baumann, Aldingen-Aixheim
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