Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Wirtschaft mahnt Regierungsbildung an
Auch Verbände sorgen sich – Streit vor dem ersten Gespräch zwischen Union und SPD
BERLIN (dpa/sz) - 80 Tage nach der Bundestagswahl und dreieinhalb Wochen nach dem Aus der JamaikaVerhandlungen ringen nun die Spitzen von Union und SPD in angespannter Stimmung um eine neue Regierung. Im Gegensatz zur gescheiterten Sondierung zwischen Union, Grünen und FDP, als die Öffentlichkeit stets über die aktuellen Zwischenstände informiert wurde, sollte dieses Mal jedoch möglichst wenig nach außen dringen.
Die angeschlagenen Vorsitzenden von CDU, CSU und SPD, Kanzlerin Angela Merkel, Horst Seehofer und Martin Schulz, hatten vor dem abendlichen Geheimtreffen Stillschweigen vereinbart. Ob es dort bereits erste inhaltliche Absprachen gegeben hat, blieb offen. Allerdings sprachen sich die Spitzen von CDU und CSU nach dem Treffen mit der SPD für Sondierungen zur Bildung einer stabilen Regierung aus. Die SPD werde am Freitag über Sondierungen beraten und entscheiden, teilten beide Seiten am Mittwochabend nach rund zweieinhalbstündigen Gesprächen mit.
Ungeduld über die schleppende Regierungsbildung macht sich in der Wirtschaft und bei den Verbänden breit. „Wir müssen wissen, wohin die Reise geht“, sagte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Dieter Kempf, der Funke Mediengruppe. Auch der Sozialverband VdK Deutschland forderte ein Ende des politischen Stillstands. „Das Land braucht eine handlungsfähige Bundesregierung, die tragfähige Lösungen für die existenziellen Fragen und Sorgen der Menschen wie die Absicherung im Alter, bei Pflegebedürftigkeit oder Krankheit findet“, sagte VdK-Präsidentin Ulrike Mascher am Mittwoch.
Nach einer baldigen Regierungsbildung sieht es derzeit nicht aus. Im Vorfeld des Treffens hatte sich von Seiten der SPD Unmut über CSUChef Seehofer breitgemacht. Bayerns Ministerpräsident hatte die SPD-Überlegungen zu einer Kooperationskoalition, die in weiten Themenbereichen mit wechselnden Mehrheiten regiert, als Vorschlag „aus der Krabbelgruppe“bezeichnet. Darauf hatte SPD-Vize Natascha Kohnen, Vorsitzende der Genossen im Freistaat, erwidert: „Der politische Umgang von Horst Seehofer lässt schon zu wünschen übrig.“