Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Grieshaber gehört zum Grundstock der Sammlung“
Das Museum Würth in Künzelsau zeigt 150 Holzdrucke des Künstlers
KÜNZELSAU - Der schwäbische Holzschneider, Typograf, Drucker und Maler HAP Grieshaber (1909-1981) gehört zu den bedeutendsten und eigenwilligsten Künstlern seiner Zeit. Sein Werk zeichnet sich durch eine große Vielfalt aus. Das Museum Würth in Künzelsau zeigt bis 3. Juni 2018 rund 150 Arbeiten von HAP Grieshaber. Der Schwerpunkt der Ausstellung liegt auf der Technik des Holzschnittes, wobei fast alle Themenfelder im Werk des Künstlers abgedeckt werden. Museumsleiterin C. Sylvia Weber erzählt Antje Merke, was die Besucher in Künzelsau erwartet.
Holzdrucke von HAP Grieshaber hingen früher in jedem alteingesessenen schwäbischen Haushalt – und wenn es ein Plakat war. Seine Bilder sind also allseits bekannt. Können Sie drei Gründe nennen, warum es sich auf jeden Fall lohnt, nach Künzelsau zu fahren?
Erstens handelt es sich bei unserer Schau um eine umfassende Werkpräsentation. Wir zeigen Arbeiten aus allen Schaffensphasen: Ganz frühe, die noch vor und während des Zweiten Weltkriegs entstanden sind, und späte aus seinen letzten Lebensjahren. Zweitens präsentieren wir noch nie gezeigte Fotografien des Schwäbisch Haller Fotografen Paul Swiridoff, dem unsere Sammlung sehr verbunden ist, und die ganz intime Einblicke in das Leben und Schaffen des Künstlers geben. Und drittens sind wunderbare Zyklen in Gänze zu sehen: der „Totentanz von Basel“und der „Osterritt“, Höhepunkte der Holzschnitt-Technik.
Anfang der 1950er-Jahre entstanden während seiner Tätigkeit als Lehrer an der Bernsteinschule in Sulz am Neckar die ersten großformatigen Holzschnitte, die später zu Zyklen erweitert wurden. Eine Technik, die zu ihrer Zeit einzigartig war. Wie spiegelt sich das in der Ausstellung wider?
Diese Arbeiten HAP Grieshabers gehören gewissermaßen zum Grundstock der Sammlung Würth, die großformatige Hommage an Caspar David Friedrich beispielsweise trägt die Inventarnummer 16. Heute zählt die Sammlung ja mehr als 17 500 Kunstwerke. Die großformatigen Holzschnitte konnten nur als Handabzüge realisiert werden, was sie sehr besonders macht. Auch aus der Zeit an der Bernsteinschule haben wir einige Beispiele in der Ausstellung, darunter den beinahe zwei Meter breiten Holzschnitt „Deutschland“.
Der Künstler hat immer wieder mit Materialien und Farben experimentiert. Gibt es anschauliche Beispiele dafür in der Schau?
Die Mappe „Herbst der Wilhelmstraßenkrämer“, in der Grieshaber mit Tisch- und Stuhlbeinen als Druckstock experimentiert hat, besticht auch durch ihre fröhliche Farbigkeit. Besonders eindrucksvoll sind die Holzstöcke zu „Tod und Drucker“, eine Leihgabe aus dem Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg, die Grieshabers Experimentierfreudigkeit demonstrieren. Die Malbriefe an Paul Swiridoff sind ein anschauliches Zeugnis der Beziehung zwischen diesen beiden Männern.
Grieshaber hat sich auch gesellschaftspolitisch eingemischt. Wird dieser Aspekt berücksichtigt?
Aber ja! Man denke nur an die vielen Plakatentwürfe, die wir zeigen, oder an die gefesselte Taube von 1950, die den Zweifel am Weltfrieden ausdrückt, sowie an die zahlreichen Hommagen an Martin Luther King. Da zeigen wir sehr schöne eindrückliche Beispiele.
Reinhold Würth ist bekannt dafür, dass er exzessiv sammelt. Wie viele Arbeiten stammen aus der eigenen Sammlung? Und woher kommen die Leihgaben?
Wir zeigen mehr als 100 Arbeiten aus dem eigenen Bestand sowie rund 50 Leihgaben aus privatem und öffentlichem Besitz. Das Interesse bei der Vorbereitung der Ausstellung war gewaltig.
Wann hat Reinhold Würth Grieshaber für sich entdeckt? Was war sein erster Ankauf?
Die ersten Werke kamen über Paul Swiridoff in die Sammlung Würth, der durch seine Publikation „die holzwege des hap grieshaber“im Jahr 1970 einen engen Kontakt mit dem Künstler hatte. Mit nicht wenigen dieser Arbeiten hat sich der Sammler Reinhold Würth in seinem Alltag umgeben.
Auf dem Kunstmarkt werden nach wie vor Holzschnitte von Grieshaber gehandelt. Gibt es auch einen Neuankauf zu sehen?
Angeregt durch die Vorbereitung zum Fotobuch „die holzwege des hap grieshaber“malte Grieshaber innerhalb weniger Tage die Gouachen „Selbstbildnisse im Spiegel“, die er selbst auch „12 Eulenspiegeleien“nannte, und zehn vorbereitende Gouachen werden erstmals in der Ausstellung gezeigt.
Was ist Ihr persönlicher Höhepunkt in der Ausstellung?
Zum einen hat HAP Grieshaber hat ja einen ganzen Kreis begabter Künstler um sich geschart. Horst Antes, Hans Baschang, Dieter Krieg, Heinz Schanz und Walter Stöhrer sind da nur einige Beispiele. Mich freut es ganz besonders, dass wir Arbeiten dieser Künstler im Kontext der Ausstellung aus unserer Galerie zeigen und damit die Bedeutung Grieshabers über sein eigenes Oeuvre hinaus illustrieren.
Die Interessen und Sehgewohnheiten der Besucher haben sich inzwischen geändert. Warum ist ein Klassiker wie HAP Grieshaber heute noch sehenswert?
Weil er stark im Südwesten verwurzelt ist. Viele kennen ihn aus Kindheitstagen, haben ihn vielleicht in den letzten Jahren aus den Augen verloren und entdecken ihn jetzt im Zuge unserer Präsentation wieder neu.
Ausstellung „HAP Grieshaber und der Holzschnitt“im Museum Würth in Künzelsau bis 3. Juni. Öffnungszeiten: täglich 11-18 Uhr, 24. und 31. Dezember geschlossen, 25. und 26. Dezember und Neujahr 12-17 Uhr. Katalog: 35 Euro.
Auch Reutlingen feiert Grieshaber. Das Kunstmuseum Spendhaus Reutlingen nimmt das zu Ende gehende Jubiläumsjahr zum Gedenken an die Reformation zum Anlass, den christlichen und biblischen Themen im Werk von HAP Grieshaber nachzugehen. Dazu werden die wichtigsten Werkzyklen des Künstlers mit diesen Motiven von 16. Dezember bis 8. April versammelt. Die Ausstellung präsentiert auch weniger bekannte Holzdrucke und Entwürfe. Parallel dazu werden einige ausgewählte Arbeiten von Zeitgenossen wie Felix Droese, Alfred Hrdlicke oder Arnulf Rainer den Bildern Grieshabers gegenübergestellt. (sz)