Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Verdächtiger macht keine Angaben
Ehemaliger Belegarzt der Ravensburger Oberschwabenklinik macht keine Angaben zur Sache
Polizei vernimmt ehemaligen Belegarzt wegen Patientenakten im Altpapier.
RAVENSBURG - Die Oberschwabenklinik (OSK) erstattet keine Anzeige gegen den früheren Belegarzt, der im Verdacht steht, Anfang Dezember zahlreiche Patientenakten ungeschreddert im Altpapiercontainer des Ravensburger Wertstoffhofes entsorgt zu haben. Laut Pressesprecher Winfried Leiprecht sei er offenbar nicht unrechtmäßig in deren Besitz gelangt, sondern habe sich im Rahmen seiner Tätigkeit als Belegarzt, die vor etwa zehn Jahren endete, Kopien angefertigt.
Mittlerweile wurde der Mann, bei dem es sich nach SZ-Informationen um einen Kieferchirurgen handeln soll, auch von der Polizei vernommen. „Er hat aber keine Angaben zum Sachverhalt gemacht“, sagte Karl-Josef Diehl, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Ravensburg, auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“.
Wie berichtet, hatte ein Bürger am 4. Dezember beim Entsorgen von Altpapier auf dem Wertstoffhof zahlreiche Leitz-Ordner gefunden, die Patientenakten der Oberschwabenklinik aus dem Zeitraum von 1997 bis 2008 enthielten. Wie sich später herausstellte, enthielten knapp die Hälfte der 103 Ordner hochsensible Daten, etwa Krankheitsgeschichten, Diagnosen und Therapien von teils jugendlichen Patienten. Die anderen waren leer – möglicherweise waren die Papiere beim Wurf in den Container herausgefallen. Der Finder will auch noch weitere Aktendeckel gesehen haben, an die er aber nicht herankam.
Der Fall, ein eklatanter Verstoß gegen das Datenschutzgesetz, sorgte für medialen Wirbel. Oberstaatsanwalt Diehl sprach von einer „hochnotpeinlichen Schlamperei“, eine Straftat würde aber nur dann vorliegen, wenn der Arzt die Akten absichtlich öffentlich gemacht und so gegen das Arztgeheimnis verstoßen hätte. Ob Anklage gegen den früheren Belegarzt erhoben wird, steht daher derzeit noch nicht fest. Bußgelder werden in der Regel nur dann erhoben, wenn der Täter in der Absicht handelt, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen. Sowohl Staatsanwaltschaft als auch OSK haben den Datenschutzbeauftragten des Landes Baden-Württemberg informiert.
Die OSK hatte nach der Veröffentlichung in der „Schwäbischen Zeitung“und anderen Medien in den Weihnachtstagen extra eine Telefonhotline für besorgte Patienten eingerichtet. Dort habe laut OSKPressesprecher Leiprecht aber nur eine Frau angerufen – die jedoch nicht betroffen gewesen sei.
Einen ähnlichen Fall hat es zuletzt 2016 in Dermbach (Thüringen) gegeben. Dort wurden Patientenakten aus einem nahe gelegenen medizinischen Versorgungszentrum als Konfetti bei einem Karnevalsumzug in die Menge geschossen. Auf den nicht fachgerecht zerkleinerten Papierschnipseln sind personenbezogene Daten wie Namen, Adressen und Telefonnummern der Patienten sowie die Namen der behandelnden Ärzte zu lesen gewesen.