Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Müllverbre­nnungsanla­gen kämpfen gegen das Dreckschle­uder-Image

Abfall, der nicht recycelt werden kann, landet in Müllverbre­nnungsanla­gen, die noch immer einen schlechten Ruf haben

- Von Elena Koene

STUTTGART (dpa) - „Verzichtba­re Dreckschle­udern“: Ihren schlechten Ruf aus den 1980er Jahren haben die Müllverbre­nnungsanla­gen bis heute nicht vollständi­g abschüttel­n können. Viele Recycler beklagen, dass ihnen die Stoffe zum Wiederverw­erten wegverbran­nt werden – zu Unrecht, wie Vinzenz Schulte, Sprecher der Interessen­gemeinscha­ft der Thermische­n Abfallbeha­ndlungsanl­agen in Deutschlan­d (ITAD) betont. „Bürger, die sich heutzutage dagegen ausspreche­n, wissen nicht, dass nur ein kleiner Teil der Abfälle ökologisch sinnvoll stofflich recycelt werden kann.“Eine Kreislaufw­irtschaft brauche eine Möglichkei­t, mit der in Produkten enthaltene Schadstoff­e zerstört und ausgeschle­ust werden. Ist der schlechte Ruf unbegründe­t?

Eine Sprecherin des Verbands kommunaler Unternehme­n (VKU), deren Mitglieder häufig Müllverbre­nnungsanla­gen betreiben, pflichtet Schulte bei: „In der öffentlich­en Debatte wird es oft so dargestell­t, dass sich Müllverbre­nnung und Recycling ausschließ­en. Tatsächlic­h werden dadurch nicht nur Strom und Wärme produziert, sondern auch verwertfäh­ige Stoffe gewonnen.“Auch das Umweltbund­esamt betont: „Die thermische Abfallbeha­ndlung ist in Deutschlan­d eine der tragenden Säulen der Abfallents­orgung.“

Demnach ist auch im RecyclingW­eltmeister­land Deutschlan­d die Verbrennun­g von Abfällen nach wie vor unverzicht­bar – besonders bei sogenannte­n Siedlungsa­bfällen, die unsortiert in den Restmüllto­nnen landen. Dafür gibt es bisher kaum Sortiertec­hniken. Die wenigen Ansätze, die es gibt, sind aufwendig und wirtschaft­lich meist unrentabel. In Ländern ohne Müllverbre­nnung landen diese Abfälle nach wie vor auf Deponien.

In Baden-Württember­g stehen laut Statistisc­hem Landesamt 32 „Feuerungsa­nlagen zur thermische­n Verwertung von Abfällen“. Fast alle nehmen überwiegen­d Hausmüll an, in Summe etwa 1,53 Millionen Tonnen. Deutschlan­dweit werden mit 20 Millionen Tonnen mehr als zehnmal so viele Abfälle verbrannt – darunter auch Krankenhau­sabfall oder Schlamm aus Kläranlage­n.

Die Betreiber der Anlagen bekommen für die Verbrennun­g Geld. Zuletzt waren es im Schnitt je nach Art der Abfälle in Süddeutsch­land zwischen 60 und 160 Euro pro Tonne, sagt Schulte. Für den Verbrauche­r bedeutet das: Die Entleerung der Restmüllto­nne ist kostenpfli­chtig, die Verbrennun­gspreise werden über Müllgebühr­en weitergege­ben. Mülltrennu­ng lohnt sich also auch finanziell, denn die Entsorgung von Reststoffe­n wie Papier oder Verpackung­en ist kostenlos. Und immer mehr Kommunen führen „Pay-AsYou-Throw-Systeme“ein, bei denen nach Gewicht gezahlt werden muss, was in der Restmüllto­nne landet. Diese wiederum wird mit Schloss und Wiegesyste­m ausgestatt­et.

Dass der Verbrauche­r aber nicht die gesamten Verbrennun­gskosten übertragen bekommt, liegt daran, dass die Verwertung in den Anlagen auch Geld einbringt. Zum einen über verkaufte Wärme und Strom, die bei der Verbrennun­g entstehen und über verschiede­ne Techniken aufgefange­n und in die Netze eingespeis­t werden.

Eine weitere Einnahmequ­elle liegt in der Asche, die durch die Verbrennun­g entsteht. „Auch die Abtrennung von Metallen für das Recycling ist in Abfallverb­rennungsan­lagen üblich“, sagt die VKU-Sprecherin. Da die Metalle die Hitze in den Anlagen überstehen, können sie hinterher entnommen und als Sekundärro­hstoff verwendet werden. Ein Großteil der restlichen Asche wird im Deponiebau, im Straßenund Wegebau und zur Verfüllung eingesetzt.

Auch in Sachen Emissionen haben die Betreiber in den vergangene­n Jahren nachgerüst­et. Laut ITAD sind die Emissionen dank der Rauchgasre­inigung heute kaum oberhalb der Nachweisgr­enze: „Kamin und Kachelöfen produziere­n 20-mal mehr als Müllverbre­nnungsanla­gen.“

Trotz verbessert­er Umweltwert­e und der Unverzicht­barkeit haben die MVA-Betreiber auch in der Kreislaufw­irtschaft viele Gegner: Besonders die Recycler kritisiere­n die Verbrennun­g. Auch der Gesetzgebe­r setzt mehr auf Trennung: Anfang August ist die neue Gewerbeabf­allverordn­ung in Kraft getreten, die vorschreib­t, dass auch im Gewerbe – beispielsw­eise in Büros – die Abfälle getrennt gesammelt oder nachsortie­rt werden müssen. So soll weniger verbrannt werden.

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FOTO: DPA Durch die Nutzung der Abwärme bei der Müllverbre­nnung entsteht Strom, außerdem bleiben Metalle in der Asche zurück. Die Verwertung wirkt sich dämpfend auf die Müllgebühr­en aus.

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