Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Köpfeln wie Harry
Zugegeben: Ich hätte mich ganz bestimmt nicht gegen eine weitere Woche ohne Fußball gewehrt. Diese 22 Tage währende fußballlose Zeit war jedenfalls zu kurz, um das Kribbeln oder gar so etwas wie Euphorie wiederkommen zu lassen. Dass die Winterpause überhaupt so kurz war, lag natürlich an der im Sommer anstehenden WM in Russland – aber eben auch am neuen TV-Vertrag. Der beschert den Clubs viel Geld, den übertragenden Sendern aber auch so viel Macht über den Spielplan wie nie. Weil unter der Woche offensichtlich noch weniger Zuschauer bereit sind, sich irgendwelche zähen Duelle zweier Mittelklassemannschaften aus der Pressingund Gegenpressinghölle Bundesliga anzusehen als am Wochenende, haben sich Sky und Eurosport Englische Wochen für die Bundesliga-Rückrunde diesmal verbeten.
Am Wochenende wurde also wieder gespielt. Und natürlich bot auch der 18. Spieltag wieder ein paar Szenen, die zum Schmunzeln, Freuen und Ärgern anregten. In Frankfurt erlebten die Zuschauer eines ansonsten recht grausamen Kicks das erste Bundesligator eines jungen Mannes, der schon jetzt die Entdeckung der Saison beim SC Freiburg ist. Robin
Koch, so heißt der 21 Jahre alte Verteidiger, glich in der 51. Minute seines zehnten Bundesligaspiels Frankfurts Tor durch Sebastien Haller per Kopf zum 1:1-Endstand aus. Natürlich per Kopf. Denn Robin Koch ist der Sohn von Harry Koch, jenem langjährigen Verteidiger des 1. FC Kaiserslautern, der das lockige Haar zumindest hinten mindestens so schön wie lang trug und nicht nur darum als Kultverteidiger der 1990er verehrt wird. 220 Spiele in der Bundesliga absolvierte Harry Koch für Kaiserslautern in der Bundesliga, 23 Tore erzielte er dabei, meist per Kopf. Robin Koch trägt das Haar nur oben lang, die Seiten und der Hinterkopf sind ausrasiert – der „Undercut“ist in Fußballerkreisen ja schon seit Jahren der neue „Vokuhila“, doch auf dem Platz führt er die Familientradition fort. „Ja, mein Vater hat viele Kopfballtore gemacht, ich denke, er wird sich freuen. Das war ein ganz besonderer Moment für mich“, sagte Robin Koch. Bei den Frankfurtern dagegen herrschte dicke Luft. Hatten sie doch so viele Chancen gehabt gegen stark ersatzgeschwächte Freiburger und am Ende eben nur einen Punkt. „Ich bin maßlos verärgert. Ich bin richtig stinkig“, sagte Trainer Niko Kovac.
In Hannover erzielte der Mann des Spiels nicht seinen ersten Treffer überhaupt, sondern seine Saisontore sechs bis acht. 0:2 lag Hannover 96 bereits hinten gegen Mainz 05, ehe
Niclas Füllkrug seinen großen Auftritt hatte. „Ich glaube, ich nehme den Ball mit. Die Tore tun mir gut“, sagte der 24-Jährige nach seinem ersten Hattrick in der Bundesliga (33./ 38., Foulelfmeter und 75.). Dank Füllkrugs Tore feierte Hannover zudem den 300. Bundesliga-Sieg der Vereinsgeschichte. Wegen des anhaltenden Stimmungsboykotts der 96-Ultras wurde aber auch dieser Sieg eher schweigend registriert. Mit ihrem Schweigegelübde protestieren die Anhänger gegen die geplante Komplett-Übernahme des Clubs durch Präsident Martin Kind. 96Manager Horst Heldt sagte am Sonntag bei Sport 1 über das Verhältnis zu den Fans: „Um das Tischtuch wieder zu flicken, wird es viel Zeit und Kraft brauchen. In den vergangenen Jahren ist das etwas zu kurz gekommen. Wir müssen wieder auf die Fans zugehen.“
Das Schweigegelübde der Hannoveraner bezieht sich offensichtlich nur auf den eigenen Verein. Die Mainzer Profis Leon Balogun und
Anthony Ujah wurden nach eigenen Angaben rassistisch beleidigt. Zwischen sechs und zwölf Personen sollen in der zweiten Halbzeit unter anderem Affenlaute nachgeahmt haben, schrieb der frühere 96-Profi Balogun am Sonntag auf Twitter. „Ich bin erschrocken darüber, dass so ein Verhalten 2018 in der Bundesliga, in der jeden Tag Spieler unterschiedlicher Herkunft, Hautfarben und Religionen gemeinsam für ihre Fans kämpfen, überhaupt noch existiert.“Die Clubs reagierten bestürzt: „Ein solches Verhalten lehne ich zweihundertprozentig ab. Wir entschuldigen uns in aller Form bei Mainz und bei den beiden Spielern“, teilte Kind mit. „Es ist unbegreiflich, dass Spieler in der Bundesliga immer noch mit rassistischen Diskriminierungen konfrontiert werden“, sagte der Mainzer Sportvorstand Rouven Schröder.