Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Wegweisender Tarifabschluss im Südwesten
Gewerkschaft und Arbeitgeber einigen sich auf 4,3 Prozent mehr Lohn und neue Flexibilität
STUTTGART/FRANKFURT - Nach heftigen Warnstreiks und langen Verhandlungen haben sich IG Metall und Arbeitgeber auf einen wichtigen Pilot-Tarifabschluss für die Metall- und Elektroindustrie geeinigt. Die Beschäftigten haben bei ihrer Arbeitszeit künftig mehr zu sagen, lautet das wichtigste Ergebnis der in der Nacht zum Dienstag in Stuttgart gefundenen Einigung für Baden-Württemberg. Neben der allgemeinen Teilzeitmöglichkeit mit vollem Rückkehrrecht in Vollzeit vereinbarten die Tarifpartner kräftige Lohnsteigerungen von 4,3 Prozent ab April 2018 sowie Sonderregeln für Beschäftigte in besonderen Lebenslagen.
„Wir haben um jedes Detail hart gerungen“, sagte IG-Metall-Verhandlungsführer Roman Zitzelsberger nach der sechsten Verhandlungsrunde. Achim Dietrich, Gesamtbetriebsratschef des Autozulieferers ZF aus Friedrichshafen, räumte ein: „Es gab noch nie einen Abschluss, der kein Kompromiss war.“Die Vier vor dem Komma schmerze, sagte indes Südwestmetall-Chef Stefan Wolf nach den Verhandlungen. Der Arbeitgebervertreter tröstete sich mit der langen Laufzeit von 27 Monaten und der Planungssicherheit. „Ich glaube, das neue Tarifsystem ist vernünftig ausbalanciert“, sagte Wolf.
Die Beschäftigten können nun ohne Lohnausgleich für bis zu zwei Jahre ihre Wochenarbeitszeit auf 28 Stunden senken. Die Tarifpartner kommen damit einer gesetzlichen Regelung zuvor, wie sie die Verhandler einer Großen Koalition anstreben. Im Gegenzug dürfen Betriebe mit mehr Beschäftigten als bisher 40-Stunden-Verträge abschließen. Die IG Metall lockerte Regelungen, um in ausgelasteten Betrieben mehr Arbeit jenseits der 35-Stunden-Grenze zu ermöglichen. Dietrich, der für die Gewerkschaft verhandelt hatte, lobte den Kompromiss: „Das ist ein Einstieg in eine neue Arbeitszeitkultur.“Südwestmetall-Sprecher Volker Steinmaier erklärte: „Wir haben auch einiges bekommen: Beschäftigte, die ihre Arbeitszeit reduzieren, machen für die Betriebe die Luft nach oben auf.“